Am 2. Juni erkannte der Bundestag fraktionsübergreifend und fast einstimmig an, dass es sich bei den Massakern an den Armeniern 1915 und 1916 um Völkermord handelte und eine deutsche Mitverantwortung besteht. Mit einem gemeinsamen Antrag von CDU/CSU, SPD und B90/Grünen, der von der Linksfraktion unterstützt wurde, gedachten die Bundestagsabgeordneten der Verbrechen an den ArmenierInnen und anderen christlichen Minderheiten im Osmanischen Reich, zu dessen Verbündeten das damalige Deutsche Reich gehörte.
Was eine Geste gegen das Vergessen und für eine Versöhnung zwischen Türken und Armeniern sein sollte, führte zu schweren Verwerfungen mit der Türkei, die der Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan massiv anheizte. Er forderte Deutschland auf, Rechenschaft über den Holocaust abzulegen, anstatt über einen "sogenannten Völkermord" der Türkei abzustimmen. Ganz persönlich griff er die elf Bundestagsabgeordneten mit türkischen Wurzeln an, bezeichnete sie als verlängerten Arm von Terroristen, mit Verweis auf die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK, und wetterte, sie mögen sich einem Bluttest unterziehen, ob sie überhaupt Türken seien. Der Oberbürgermeister von Ankara verschickte über Twitter ein Bild aller türkischstämmigen Abgeordneten. Sein Tweet wurde tausendfach geteilt und mit eindeutigen Morddrohungen versehen.
Der Versuch, den Bundestag als Verfassungsorgan nach ethnischer Herkunft auseinanderzudividieren, wurde durch politische Statements aus dem Parlament und der Bundesregierung zurückgewiesen.
Inmitten der befremdlichen Angriffe erhielt eine deutsche Politikerin von den Türken Lob in den höchsten Tönen: die Leipziger CDU-Abgeordnete Bettina Kudla. Als einzige stimmte sie im Bundestag gegen die Armenien-Resolution. Ihre Nein-Stimme ist mir unverständlich, zumal ihr der Schutz von Christen weltweit sonst stets ein Anliegen war und derzeit wieder Christen ausgegrenzt und verfolgt werden, auch in der Türkei. Mit dem Vorwand, der Bundestag habe historische Ereignisse anderer Staaten nicht zu bewerten, solidarisierte sie sich mit der türkischen Regierung und leugnete die deutsche Verantwortung.
In einer Pressemitteilung habe ich meine Irritation über ihre Entscheidung zum Ausdruck gebracht [lesen].
Die Armenien-Resolution zum Nachlesen: [PDF lesen]
Weitere Infos:
Themenseite des Bundestages: www.bundestag.de