Mit rechtskräftigem Urteil vom 07. Mai 2012 hat die Strafkammer des Landgerichts Köln (Aktenzeichen: 151 Ns 169/11; NJW 2012, 2128) entschieden, dass es sich bei der religiös begründeten, aber nach den Regeln der ärztlichen Kunst mit Zustimmung der sorgeberechtigten Eltern durchgeführten Beschneidung eines minderjährigen (vierjährigen) Jungen um eine rechtswidrige Körperverletzung im Sinne von § 223 Absatz 1 des Strafgesetzbuchs (StGB) handelt.
Die Einwilligung der Eltern ist nach dem Urteil des Gerichts unbeachtlich, weil die Beschneidung entgegen den Anforderungen des Kindschaftsrechts nicht dem Kindeswohl dient. Durch diese Entscheidung des Landgerichts Köln ist erhebliche Rechtsunsicherheit entstanden, denn bis zu deren Bekanntwerden Ende Juni 2012 war zumindest in der strafrechtlichen Rechtspraxis weitgehend unbestritten, dass Eltern grundsätzlich auch in eine nicht medizinisch indizierte, zum Beispiel religiös motivierte Beschneidung rechtswirksam einwilligen können. In der juristischen und auch in der medizinischen Fachliteratur wird die Beschneidung des männlichen Kindes hingegen bereits seit geraumer Zeit tendenziell als rechtswidrige Körperverletzung bewertet.
Der Deutsche Bundestag hat mit Beschluss vom 19. Juli 2012 (Bundestagsdrucksache 17/10331) die Bundesregierung aufgefordert, „unter Berücksichtigung der grundgesetzlich geschützten Rechtsgüter des Kindeswohls, der körperlichen Unversehrtheit, der Religionsfreiheit und des Rechts der Eltern auf Erziehung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass eine medizinisch fachgerechte Beschneidung von Jungen ohne unnötige Schmerzen grundsätzlich zulässig ist“.
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf soll unter Berücksichtigung und Abwägung verschiedener grundgesetzlich geschützter Rechtsgüter, insbesondere des Schutzes der körperlichen Unversehrtheit der minderjährigen Jungen, dem Erziehungsrecht der Eltern, welches auf das Kindeswohl verpflichtet ist, und der Religionsfreiheit Rechtssicherheit geschaffen werden. Die Regelung orientiert sich daran, dass die körperliche Unversehrtheit des Kindes ein hohes verfassungsrechtlich geschütztes Gut ist. Der Gesetzentwurf folgt damit dem Leitbild des Kindes als Träger von Grundrechten, wie es vom Bundesverfassungsgericht und der UN-Kinderrechtskonvention geprägt worden ist... [lesen]