Rede zum Thema "Mehr Unterstützung für Initiativen gegen Rechts in der Gastwirtschaft"

Deutscher Bundestag – 17. Wahlperiode – 214. Sitzung, Berlin, Donnerstag, den 13. Dezember 2012

TOP 23 Initiativen gegen Rechts
Zu Protokoll gegebene Rede von Monika Lazar zum Antrag der SPD "Mehr Unterstützung für Initiativen gegen Rechts in der Gastwirtschaft"

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Am 24. Mai diskutierten wir in erster Lesung darüber, wie sich Rechtsextremismus in der Hotel- und Gastwirtschaft darstellt und welche Gegenstrategien es gibt. Seitdem haben sich weitere Vorfälle ereignet, die zeigen: Wachsamkeit und Austausch bleiben notwendig, aber es gibt auch Erfolge zu verzeichnen.

So wurden beispielsweise im Juni die dubiosen Pläne des Rechtsextremisten Christian Bärthel durch eine gelungene Zusammenarbeit von Polizei und Gastronomie rechtzeitig zerschlagen. Er wollte unter dem fragwürdigen Motto „Der Holocaust aus biblischer Sicht“ ein antisemitisches Treffen in Nürnberg abhalten. Als Bärthel und seine Kumpane an der dafür gemieteten Gaststätte eintrafen, waren die Polizisten schon da und verwehrten den Zutritt. Die Wirtin hatte die Reservierung zurückgenommen und berief sich auf ihr Hausrecht. Es war der dritte fehlgeschlagene Versuch von Bärthel, eine Lokalität für seine volksverhetzenden Vorhaben zu finden.

Solche Erfolge sind auf das Engagement und die fortschreitende Sensibilisierung in den letzten Jahren zurückzuführen. Ebenso trugen informative Publikationen und öffentlichkeitswirksame Aktionen dazu bei. Deshalb ist es gut und wichtig, solche demokratiestärkenden Aktivitäten zu unterstützen. Zu den sehr positiven Beispielen zählt auch der Zusammenschluss von Gastwirten unter dem Motto „Keine Bedienung für Neonazis“. In mehreren Städten vernetzten sich engagierte Gastwirte und fördern auf diese Weise zivilgesellschaftlichen Widerstand gegen Rechts. Die von Regensburger Wirten ins Leben gerufene Initiative erhält den Preis der Lutherstädte „Das unerschrockene Wort“. Der mit 10 000 Euro dotierte Preis wird 2013 in Eisleben verliehen. Die Jury hofft, dass diese Entscheidung dazu beiträgt, viele andere Städte zu ähnlichen Aktionen zu ermutigen.

Weitere Unterstützung für Gastwirte kommt von der DeHoGa, der Gewerkschaft NGG und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Ihr Ratgeber „Rechtsextremist/innen nicht auf den Leim gehen. Ein Ratgeber für die Gastronomie und Hotellerie“ ist in der Praxis eine große Unterstützung. Auch weitere Publikationen sind verfügbar. So bezieht beispielsweise die Stadt München in einer 40-seitigen Broschüre Stellung gegen Nazis. Unter dem Titel „Anmietungen durch Rechtsextreme“ mit dem Untertitel „Schutz für Kommunen und Vermieter“ hat sie Ratschläge veröffentlicht, wie man unliebsamen Gästen oder Mietinteressenten begegnet. Auch die „Allianz gegen Rechtsextremismus“ in der Metropolregion Nürnberg gibt in der Broschüre „Kein Platz für Rassismus!“ Tipps für Gastronomen und Hoteliers und stellt klar: Wir zeigen Zivilcourage.

Solche Aufklärung ist vonnöten, denn schon lange sind Neonazis nicht mehr am äußeren Erscheinungsbild erkennbar. Viele Rechtsextreme verfolgen die Strategie der schleichenden Unterwanderung gesellschaftlicher Bereiche. Um Kontakte zu knüpfen, in Vereinen Fuß zu fassen oder in Elternvertretungen gewählt zu werden, wollen sie sympathisch und unauffällig wirken. Da diese Verschleierungstaktik häufig zum Tragen kommt, brauchen Gastwirte klare Hilfestellungen, wie sie mit unliebsamen Gästen oder Mietinteressenten umgehen können. Deshalb wurde bereits im Mai im Plenum das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 9. März 2012 mehrfach begrüßt. In dem Urteil wird klargestellt, dass sowohl Privatleute als auch Unternehmerinnen und Unternehmer ihr Hausrecht grundsätzlich frei ausüben dürfen.

Keine Einigkeit konnte jedoch erzielt werden in der Frage, was unsere Demokratie am meisten bedroht. So führte damals meine Kollegin Rita Pawelski für die CDU/CSU aus, unsere freiheitliche demokratische Grundordnung würde „durch Extremismus herausgefordert, von rechts und von links oder durch religiösen Extremismus.“ Demensprechend müsse der Staat sich „gegen jede Form des Extremismus starkmachen“. Sie kritisierte sogar explizit den SPD-Antrag in seinem klaren Fokus gegen „rechten Extremismus“ als „nicht nachvollziehbar und gefährlich“. Diese Position kann ich weder nachvollziehen noch unterstützen. Ich finde die Verharmlosung der Gefahr von rechts, die mit der undifferenzierten Nennung anderer „Extremismusformen“ einhergeht, unverantwortlich.

Gerade vor dem Hintergrund des NSU, aber auch angesichts der häufigen rechten Musikkonzerte, die nicht selten in Gewaltexzessen enden, würde ich mir einen eindeutigen Konsens gegen Rechtsextremismus und andere damit verbundene Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit sehr wünschen. Während der Haushaltsberatungen haben wir ein 50-Millionen-Programm gegen rechts gefordert. Eine solide Struktur von zivilgesellschaftlichen Initiativen vor Ort ist auch wichtig, um unter anderem Gastwirten bei Fragen, Problemen und Beratungswünschen kompetente Anlaufstellen zu bieten. Rechtsextremismus gefährdet Menschen und schädigt die regionale Tourismuswirtschaft. Studien ergaben Verluste in Milliardenhöhe, weil ausländisch Aussehende Reisen in „braune Angstzonen“ scheuen. Gerade dort brauchen wir lokale Bündnisse, die gegensteuern. Publikationen, Aktionen, runde Tische und ein Miteinander von Staat und Zivilgesellschaft auf Augenhöhe schaffen ein Klima von Toleranz und Weltoffenheit. Wo dieses Klima herrscht, fühlen sich Nazis nicht wohl und bleiben lieber fern – das muss das gemeinsame Ziel von Bund, Ländern, Kommunen und Zivilgesellschaft sein. Der SPD-Antrag weist in diese Richtung und wird deshalb von Bündnis 90/Die Grünen unterstützt.

Um Rassismus, Rechtsextremismus und andere menschenfeindliche Haltungen in ganz Deutschland erfolgreich zurückzudrängen, brauchen wir jedoch noch weit mehr: eine ausreichende Finanzierung von Initiativen, eine ersatzlose Streichung der „Extremismusklausel“ und eine bundesweite, präventiv angelegte Demokratieoffensive.