Kelkheim. Ganz Deutschland schaute in den vergangenen Tagen auf die Ereignisse in Chemnitz. Die Kelkheimer blicken besonders in die Richtung rechts der Mitte, denn am Sonntag, 9. September, macht der AfD-Bundesvorsitzende Alexander Gauland um 13 Uhr Station in der Stadthalle. Die Partei macht natürlich Landtags-Wahlkampf – und wird dabei bestens "bewacht". Denn das Bündnis "Main-Taunus – Deine Stimme gegen Rechts" ruft zum Protest auf. Um 12 Uhr geht es mit einer Kundgebung an der Hornauer Straße los.
Dass die Stimmung angespannt ist, war schon in den Redaktionen zu merken. "Nach den jüngsten Ereignissen in Chemnitz sind Widerstand gegen Rechts und Einsatz für Vielfalt und Demokratie wichtiger denn je", schreibt das Bündnis "Main-Taunus – Deine Stimme gegen Rechts" in seiner Ankündigung für die Protestaktion. Man will sich schon am Samstag, 8. September, von 10 bis 12 Uhr auf dem Marktplatz Kelkheim mit der Ausstellung "Keine Alternative!" präsentieren. Sie analysiere die Ideologie der AfD und ihre Beziehungen zu einer breiten völkischen Bewegung in Deutschland. Eine Antwort kam prompt: Es sei das gute demokratische Recht der Bürger zu demonstrieren. "Aber muss man längst widerlegte Fake-News von angeblichen 'Menschenjagden' nutzen, um gegen die AfD zu polemisieren?", schreibt Patrick Andreas Bauer, Vorsitzender Junge Alternative Main-Taunus: "Wir wissen aus Polizeiberichten: Solche 'Menschenjagden' gab es nicht in Chemnitz."
Die Situation ist also nicht ganz so entspannt. Dennoch blicken Stadt und Polizei dem Sonntag eher unaufgeregt entgegen. "Wir sind vorbereitet, aber entspannt", sagt Uwe Schweizer, Leiter der Polizeistation Kelkheim. Die Kollegen schauten sich genau an, was vorab in den Sozialen Netzwerken passiere. Je nach Lage würde mit entsprechendem Personal am Sonntag reagiert. Die Polizei sei gut vorbereitet, betont auch Bürgermeister Albrecht Kündiger. Natürlich freue er sich nicht, wenn der Chef der AfD in die Stadt komme. Zu verhindern sei das aber bei ordnungsgemäßer Anmeldung auch nicht. Kündiger erinnert sich augenzwinkernd: Als im April 2017 AfD-Chefin Frauke Petry in Kelkheim war, wo es weitgehend friedlich blieb, da sei sie kurz darauf zurückgetreten.
Eine spontane "Einstimmung" auf den Protest gegen Rechts gab es bereits am Montagabend. Die Grünen baten zu einer Diskussion "Rechtsruck bekämpfen" auf den Marktplatz – doch nur Wenige hörten zu. Dabei konnte Monika Lazar, Bundestagsabgeordnete und Sprecherin der Grünen für Strategien gegen Rechtsextremismus, aus ersten Hand von Chemnitz berichten. "Ich war ziemlich schockiert. Und es ist nicht leicht, mich zu schockieren." Es seien volle Glasflaschen und Böller der Rechtsextremen geflogen. "Das staatliche Gewaltmonopol war an diesem Abend nicht mehr gewährleistet." Beim Konzert gegen Rechts sei sie dann "platt im positiven Sinne" gewesen, so Lazar. Insgesamt sieht sie in Sachsen aber bei dem Thema "ein großes Nachholproblem".
Doch auch der scheinbar friedliche Main-Taunus-Kreis habe solche Tendenzen, berichtete der Kelkheimer Lukas Schauder, Landtagskandidat der Grünen. Eine rechte Szene sei "überwiegend im Verborgenen" aktiv, Aufkleber bestimmter Gruppierungen zeugen aber von der Existenz. Schauder erzählt sogar von einem Drohbrief, den ein Buchhändler in Kelkheim erhalten habe, weil dort eine Lesung der Antifaschistischen Bildungsinitiative war. Die AfD im Kreistag bekleckere sich zudem nicht mit Ruhm.
Lazar war länger in Kelkheim. Zuvor diskutierte sie mit Schülern und einem Lehrer über die Problematik. Sina Zimmermann (18) war dabei und weiß: Der Satz "Chemnitz ist überall" sei "nicht falsch". Sie wünscht sich auch mit Blick auf Sonntag, der "AfD nicht diese Aufmerksamkeit zu geben".
[Quelle: www.kreisblatt.de]