Besuch im Brandhaus

Pressebericht, Sächsische Zeitung, 07.07.2015

Meißen hat ein Rassismusproblem, finden Oppositionspolitiker. Bauunternehmer Brumm überrascht mit einer Idee.

Von Dominique Bielmeier

Zusammen mit dem Hauseigentümer Ingolf Brumm besuchten gestern die Bundestagsabgeordneten Monika Lazar (Grüne) Petra Pau (Die Linke) und Susann Rüthrich (SPD) das Brandhaus an der Rauhentalstraße in Meißen.

Der beißende Geruch nach verschmortem Plastik ist noch weniger zu ertragen als der Anblick. Wie die Wohnung in dem Haus an der Rauhentalstraße einmal ausgesehen hat, lässt sich unter der dicken Rußschicht, die noch immer von den Wänden, den weißen Küchen- und braunen Wohnzimmermöbeln zu rinnen scheint, bloß erahnen. Vom Türrahmen aus dicken Holzbalken sind nur verkohlte Scheite geblieben, der Putz an der Wand fällt in großen, gewölbten Scheiben herunter.

Das wahre Ausmaß des Brandanschlages vom 27. Juni offenbart sich einem erst, wenn man in der verkohlten Wohnung steht. Hier, wo eigentlich bald Asylbewerber einziehen sollten. Die aus Berlin angereisten Politikerinnen Petra Pau (Die Linke), Susann Rüthrich (SPD) und Monika Lazar (Grüne) sowie der Hauseigentümer Ingolf Brumm und mehrere Pressevertreter halten es nur ein paar Minuten hier aus, bevor es sie zurück auf die Straße vor das Haus und damit an die frische Luft zieht.

Nach dem mutmaßlich rassistisch motivierten Brandanschlag auf zukünftige Asylwohnungen in Meißen besuchten die drei Bundestagsabgeordneten gestern Nachmittag erst den Ort des Anschlags, um danach mit Lokalpolitikern, Presse und dem Hauseigentümer ins Gespräch zu kommen. Im Meißner Haus für Vieles auf der Dresdner Straße diskutierten sie bei Kaffee, Keksen und belegten Brötchen eine Frage, die sich unausgesprochen wohl jeder der Anwesenden stellte: Wie konnte es in Meißen so weit kommen?

Die Vorstellungsrunde im Saal des Vereinsheimes wurde zu einer Bestandsaufnahme des Rassismusproblems im Landkreis – denn dass es ein solches gibt, darüber waren sich alle einig. Robert Kusche, Geschäftsführer der sächsischen Beratungsstellen für Betroffene rechter und rassistischer Gewalt, hatte die Zahlen dazu: Im vergangenen Jahr habe es in den neuen Bundesländern mehr als 1 100 Fälle von rechter Gewalt gegeben, davon alleine 419 in Sachsen. Seit dem Aufkommen von Pegida sei ein massiver Anstieg rechter Gewalttaten zu verzeichnen – darunter auch Bedrohungen wie gegen Ingolf Brumm. Am Wochenende habe er erneut einen Drohbrief erhalten, erzählt der Bauunternehmer.

 

Ein Haus, in dem Asyl erlebbar wird

„Die Saat von Pegida und Co. ist aufgegangen“, schlussfolgert Monika Lazar von den Grünen. Der Meißner SPD-Stadtrat Matthias Rost geht sogar so weit zu sagen, dass die Mehrheit der Bevölkerung im Kreis rechtsradikales Gedankengut in sich trage – anders lasse sich nicht erklären, wie der Landrat auf Anhieb 60 Prozent der Stimmen bei der letzten Wahl holen konnte.

Dass Arndt Steinbach (CDU) – wie auch manch anderer Politiker seiner Partei – sich viel deutlicher gegen Rechts positionieren muss, auch da sind sich alle einig. Heiko Schulze, der für die Grünen im Stadtrat sitzt, fehlt außerdem der Aufschrei in seiner Stadt: „Von den Meißnern müsste selbst der Impuls kommen, dass das alles für sie unerträglich ist.“ Tilo Hellmann vom Bündnis Buntes Meißen ist enttäuscht darüber, dass sich viele regionale Unternehmen nicht bei der Plakataktion gegen rechte Gewalt beteiligen – mit dem Hinweis, dass sie „unpolitisch“ bleiben wollen.

Die Möglichkeit, sich aus der ganzen Asyldebatte rauszuhalten, hat Ingolf Brumm nicht mehr. Er ist zur Zielscheibe für Asylgegner geworden, erzählt er. „Dabei bin ich in erster Linie für meine 65 Mitarbeiter verantwortlich.“ Seine eindringliche Bitte an die Politiker lautet daher: „Nehmt mich bitte aus der Schusslinie.“

Der Bauunternehmer benötige auch finanzielle Hilfe. Seit einer Woche habe er schon nichts mehr für seine Firma tun können. „Ich bin am Anschlag.“ Dafür macht er den Anwesenden einen ungewöhnlichen Vorschlag: Das Bündnis Buntes Meißen könne eine der Wohnungen in der Rauhentalstraße mietfrei nutzen. „So machen wir das Thema Asyl erlebbar“, sagt er. „Auf die Idee bin ich eben erst hier am Tisch gekommen.“ Die Fassade, die zurzeit noch durch das verkohlte Fenster auffällt, könnte der Meißner Künstler Kay Leonhardt entsprechend gestalten.