Das Neonazi-Kampfsportturnier „Kampf der Nibelungen“ ist professionell organisiert und eine wichtige Geldquelle für die Szene. Das hinderte Bundeswehrangehörige nicht daran, im Internet Sympathie für die Reihe zu bekunden oder Veranstaltungen zu besuchen.
Der „Kampf der Nibelungen“ (KdN) gilt als wichtigste Kampfsportorganisation der militanten Neonaziszene Europas. Aus seiner Gesinnung macht dort niemand einen Hehl: Der Organisator des Kampfsportturniers ist ein bekannter Dortmunder Neonazi. Das Event war schon mal Teil eines Rechtsrockfestivals im sächsischen Ostritz. Auf der Website heißt es, man solle mitmachen und andere animieren, „dem System der Versager, der Heuchler und der Schwächlinge den Rücken zu kehren“.
Trotz des offen rechtsextremistischen Charakters übt das Turnier Anziehungskraft aus: Bis das Event im vergangenen Jahr untersagt wurde, konnte die Reihe zuletzt stetig steigende Besucherzahlen aufweisen, im Jahr 2018 waren es 850 Menschen und 40 Kämpfer aus Deutschland, Frankreich, der Ukraine und anderen Ländern.
Auf Instagram und Facebook gibt es jeweils mehr als 7000 Likes und Abonnements. Wie nun bekannt wurde, waren darunter auch Teile einer Berufsgruppe, die der Verfassung eigentlich verpflichtet sind.
Die Bundesregierung habe Kenntnis, „dass aktive Angehörige der Bundeswehr auf Facebook ‚Likes‘ zum ‚Kampf der Nibelungen‘ getätigt haben“, heißt es in der Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine Parlamentarische Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion, die WELT vorliegt. Auch sei bekannt, dass Bundeswehrangehörige als Besucher an der Veranstaltung teilnahmen. Die Anzahl „solcher Kennverhältnisse“ liege im niedrigen zweistelligen Bereich.
Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar nennt solche Verbindungen „besonders besorgniserregend“. Es sei völlig inakzeptabel, dass Bundeswehrangehörige bei der Kampfsportreihe ein und aus gehen.
„Der ‚Kampf der Nibelungen‘ ist nicht irgendein beliebiges unpolitisches Kampfsportturnier, sondern das größte Kampfsportevent der militanten Neonaziszene in Westeuropa“, sagte die sportpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion WELT.
Diese Einschätzung teilt Robert Claus. Er forscht seit Jahren zu extremistischer Gewalt im Sport. Gerade erst ist sein Buch „Ihr Kampf“ erschienen, in dem er die Vernetzung der rechtsextremen Kampfsportszene beschreibt. Er verweist auf eine wichtige Funktion solcher Events für die Szene. „Extreme rechte Ideologie ist immer gewaltvoll, und Neonazis haben schon immer das Kämpfen trainiert“, sagte Claus WELT. „Was neu ist: Neonazis betreiben Kampfsport professionell und kommerziell. Durch solche Events wird massiv Geld für die Szene eingenommen.“
So sei etwa das Veranstaltungsverbot vom Oktober 2019 ein großer Rückschlag für den „Kampf der Nibelungen“ gewesen. Die Stadt Ostritz hatte die Durchführung der Veranstaltung untersagt, da von dieser eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe. Die Verfügung stützte sich zu großen Teilen auf Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz. In der aktuellen Antwort des Bundesinnenministeriums ist von einem Ausfall von 20.000 Euro die Rede. Claus hält das sogar noch für eine niedrig angesetzte Summe.
Umso problematischer ist es, wenn Angehörige der Bundeswehr einen finanziellen Beitrag zu einem solchen Event leisten. „Ein Bundeswehrsoldat, der den ‚Kampf der Nibelungen‘ besucht, nimmt an einem geschlossenen Szene-Event teil. Er hat dann mindestens seinen Eintritt an militante Neonazistrukturen ausgegeben“, sagte Claus. Das dürfe ein demokratischer Staat nicht dulden.
Das Verteidigungsministerium wollte die neuen Fälle mit Verweis auf laufende Ermittlungen nicht kommentieren. Man habe zur Aufklärung bereits die zuständigen Stellen beauftragt, teilte ein Sprecher mit. Das Bekanntwerden der Vorfälle sei auch Resultat der Aufarbeitung der vergangenen Monate, in denen sich Rechtsextremismus-Verdachtsfälle in der Bundeswehr häuften, ganz „im Sinne der Null-Toleranz-Politik“.
Ende Juni entschied Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU), eine gesamte Kompanie des Kommandos Spezialkräfte (KSK) aufzulösen, in der es besonders viele Vorfälle gegeben hatte. Mit der Ablösung des Chefs des Militärischen Abschirmdienstes (MAD), Christof Gramm, im September hatte die Ministerin dann eine „neue Phase“ im Kampf gegen Rechtsextremismus angekündigt.
Die Grünen-Politikerin Lazar sieht nun die neue MAD-Präsidentin Martina Rosenberg gefordert. „Soldaten, die dieses Neonazi-Event besuchen oder anderweitig mit der Organisation in Verbindung stehen, wissen, worauf sie sich einlassen, und haben nichts in der Bundeswehr zu suchen. Solche Leute dürfen nicht militärisch ausgebildet werden“, so die Abgeordnete.
Autor: Alexej Hock