Die Internationale der Nationalen: Rechtsextremismus als europäisches Problem

14.08.2009

Monika Lazar, sächsische Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus der grünen Bundestagsfraktion

Rechtsextremismus stellt kein deutsches Alleinstellungsmerkmal dar. In jedem europäischen Staat ist die extreme Rechte mehr oder weniger tief verankert und vielfältig ausgestaltet. Neben offiziellen Parteien gibt es unter anderem autonome Nationalisten und gewalttätige Kameradschaftsszenen.

Bei den Europawahlen im Juni 2009 zog aus Deutschland kein Rechtsextremer in das Parlament ein. Dies ist ein klarer Erfolg der demokratischen deutschen Bürgerinnen und Bürger. Leider sieht es bei unseren europäischen Nachbarn anders aus. Sie wählten zahlreiche Abgeordnete, die mit Nazi-Parolen Stimmenfang betrieben hatten, in das Europaparlament. Würden diese Rechtsextremen sich alle zusammentun, könnten sie eine starke Fraktion bilden. Einen solchen Versuch gab es bereits im Jahr 2007 mit der Gründung der Fraktion „Identität, Tradition, Souveränität“ (ITS). Er scheiterte jedoch schon bald kläglich an inneren Machtkämpfen und Meinungsverschiedenheiten.

Es liegt in der Natur der Sache, dass international zusammengewürfelte Nazis sich schwer tun, eine geeinte politische Linie zu finden. Denn Rechtsextremismus stellt ein nationales Problem dar und basiert auf übersteigertem Nationalismus. Demnach müssten Neonazis eine Zusammenarbeit mit „fremden Völkern“ strikt ablehnen.

Aber es gibt ideologische Schnittmengen. Ein gemeinsamer Judenhass ist ebenso zentral wie Rassismus gegen alle außerhalb der eigenen „Volksgemeinschaft“. Auf dieser Basis kommt es mitunter zu internationalen Vernetzungen. Themen wie „Europa und die Haltung der Nationen in der Globalisierung“, „Überfremdung im eigenen Land“ oder die „Islamisierung Europas“ werden von Neonazis über Ländergrenzen hinaus diskutiert. So sollte 2008 in Köln ein „Anti-Islamisierungskongress“ stattfinden. Rechtspopulisten von der französischen Front National, der italienischen Lega Nord und der Freiheitlichen Partei Österreichs wollten teilnehmen. Unser deutscher Rechtsstaat verbot die Hetzkonferenz. Doch derartige Vorhaben zeigen: Rechtsextremismus kann auf europaweite Solidarität Gleichgesinnter bauen.

Europäische Rechtsextreme pflegen internationale Kontakte auf mehreren Ebenen. So begehen sie beispielsweise regelmäßig Gedenktage zu Ehren des spanischen Diktators Franco, des deutschen „Nazi-Märtyrers“ Rudolf Hess oder Ian Stuart Donaldsons, Sänger der englischen Band „Skrewdriver“ und Gründer der Bewegung „Blood & Honour“. Auch feiern sie jährlich das „Fest der Völker“, 2008 kamen dabei ca. 1500 deutsche und internationale Neonazis in Thüringen zusammen.

Mit europäischen Märtyrer- und Idolfiguren, international verbreitetem Rechtsrock,  gemeinsamen Feindbildern und einer national(sozial)istischen Einstellung gegenüber Europa versuchen Rechtsextreme trotz ihrer „volksbezogenen“ Ideologie, eine Art „europäische Nazi-Identität“ zu vermitteln.

Alle demokratischen Kräfte müssen eine gemeinsame Strategie dagegen entwickeln. Dazu gehört, dass nationale Verbote von Nazi-Organisationen in anderen EU-Staaten anerkannt und Straftaten grenzübergreifend verfolgt werden. Unverzichtbar sind gemeinsame demokratische Werte und Ziele, wie ein europaweiter Schutz vor Diskriminierung von Minderheiten. Wir brauchen starke europäische Zivilgesellschaften, die ultrarechte Bestrebungen ächten, ihnen vielfältig entgegentreten und aktiv ein Klima der Toleranz schaffen. Die EU muss solchen Initiativen den nötigen finanziellen Spielraum schaffen und gelungene Projekte in die staatliche Regelarbeit integrieren.