Von Sven Heitkamp, Leipzig
Der Leipziger Traditions-Fußballklub Lok Leipzig bemüht sich redlich um ein friedliches, gewaltfreies Image - doch manche rechtsradikale Fans des Viertliga-Vereins haben anderes im Sinn. Anhänger der Hooligan-Szene fallen immer wieder bei Attacken auf linke Gruppierungen auf, wie Anfang des Jahres beim Angriff auf das eher linke Leipziger Stadtviertel Connewitz. Am Sonntag nun wurden gleich mehrere Grünen-Politiker Opfer aufgebrachter Lok-Fans auf der Heimreise, darunter Grünen- Chef Jürgen Kasek und die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar. Angesichts der Bedrohung wurden die Politiker von Bundespolizisten aus dem Zug verwiesen. Nun wird wegen versuchter Körperverletzung ermittelt, die Staatsanwaltschaft wertet die Videoaufzeichnungen aus dem Zug aus.
Die Fußballfans und die Politiker trafen am Sonntag gegen 17.30 Uhr im Bahnhof Naumburg aufeinander. Mehr als 200 Fans des FC Lok Leipzig fuhren im Regionalzug nach der Niederlage gegen Carl Zeiss Jena zurück nach Hause. Sie hatten mit ansehen müssen, wie ihr Regionalliga-Klub 0:3 gegen den Gastgeber verlor. Die Grünen-Politiker kamen von einem Wahlforum in Erfurt und wollten in Naumburg zusteigen. "Der Zug erreichte mit Verspätung Naumburg und war brechend voll mit Lokisten und reichlich vielen, rechtsoffenen Lok-Fans", erzählt Kasek. Unter ihnen sei ein bekannter Neonazi gewesen - sein Kampfname sei "The Hooligan". Im Zug waren bereits Einsatzkräfte der Bundespolizei. Kasek, Lazar und die anderen zwei Mitreisenden hätten versucht, sicherheitshalber bei den Beamten im Eingangsbereich zu bleiben, wurden aber von den Beamten weiter ins Zuginnere geschickt. Dort seien sie sofort erkannt worden. Einzelne Fans hätten lautstark gebrüllt: "Der Kasek, der Kasek!" Daraufhin flog ihm eine Hartplastikflasche an den Kopf. Der Landessprecher der Grünen ist auch in der rechten Szene als ihr Widersacher bestens bekannt, man hat schon ein "Kopfgeld" auf ihn ausgesetzt. Kasek engagiert sich entschieden gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Auch Monika Lazar und die Leipziger Grünen-Sprecherin Christin Melcher seien bedrängt worden.
Anzeige wegen Körperverletzung
Die Polizisten erkannten die Grünen-Politiker jedoch nicht, und verwiesen sie mit den Worten "Verschwindet, haut ab!" aus dem Zug - "um die Situation zu beruhigen und weitere Angriffe und Gefahren gegen die Personengruppe zu verhindern", betonte gestern ein Sprecher der Bundespolizei in Pirna. Die Beamten hätten mit "einfacher körperlicher Gewalt" weitere Angriffe auf die zugestiegene Gruppe abwenden müssen. Nach der Ausfahrt des Zuges habe sich die Lage sofort beruhigt. Kasek erlebte das Aussteigen anders: "Von innen hämmerte der Mob gegen die Fenster, mehrere versuchten, auf den Bahnsteig zu kommen. Die Polizei forderte uns auf, den Bahnsteig zu verlassen." Ein Bahnmitarbeiter habe die Situation beobachtet und der Gruppe gestattet, mit dem nächsten ICE zu fahren. "Der Schreck sitzt tief. Eine Beule wird bleiben", schrieb Kasek auf Facebook.
Der Rechtsanwalt wollte noch gestern seine Blessur am Kopf ärztlich untersuchen lassen. Er will Anzeige wegen vollendeter Körperverletzung bei der Staatsanwaltschaft erstatten, kündigte er an. Gegen die Beamten, die überfordert gewesen seien, werde er indes nicht juristisch Vorgehen. "Ich spare selten mit Kritik an der Polizei und hätte mir mehr Unterstützung gewünscht - aber ich habe Verständnis dafür, wie die Beamten versucht haben, Schlimmeres zu verhindern" , sagt Kasek der SZ.
Politisch sei die Situation allerdings sehr bedenklich gewesen: "In einer Gesellschaft, in der Hooligans entscheiden, wer mit dem Zug fahren darf, wollen wir sicher nicht leben." Deswegen wollte der Grünen-Chef schon am Montagabend wieder in der Leipziger Innenstadt gegen einen Legida-Aufzug demonstrieren. "Das Geschehen heute macht deutlich, warum es so nötig ist, gegen Hass und Gewalt vorzugehen." Grünen-Parteichef Cem Özdemir twitterte an die sächsischen Parteifreunde: "Unfassbar! Bleibt stark! Wir stehen hinter Euch!"