Der bunte, zivilgesellschaftliche Protest in Sicht- und Hörweite gegen den Nazi-Aufmarsch anlässlich des Jahrestages der Bombardierung Dresdens war ein voller Erfolg: Alle demokratischen Kräfte gemeinsam verhinderten mit vielfältigen Aktionen, dass die Nazis ihren geschichtsverfälschenden Opferkult öffentlichkeitswirksam pflegen konnten. Dank der friedlichen Blockaden konnten die Rechtsextremen nur eine sehr kleine Runde drehen. Mit rund 1.500 Personen konnten die Nazis auch weit weniger Teilnehmer mobilisieren als noch in den vergangenen Jahren, obwohl sie sich diesmal auf ein Datum konzentrierten. Die Beteiligung an den Gegendemos hingegen war überwältigend.
Grüne Beteiligung an den Protesten
Wir Grüne haben die friedlichen Proteste seit jeher aktiv unterstützt. So auch in diesem Jahr. In einem gemeinsamen Mobilisierungsclip von Abgeordneten der Bundestagsfraktionen von Bündnis 90/Die Grünen, SPD und DIE LINKE riefen Viola von Cramon, Sven-Christian Kindler, Stephan Kühn, Monika Lazar, Claudia Roth und Hans-Christian Ströbele zur Beteiligung an den diesjährigen Protesten auf. Ihre Botschaft: Zieht euch warm an und kommt zahlreich am 13. und 18. Februar nach Dresden – eine starke Zivilgesellschaft darf den Nazis den öffentlichen Raum nicht überlassen! Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast und Jürgen Trittin beteiligten sich ebenso wie zahlreiche weitere grüne Abgeordnete aus Bund und Ländern an den Protestaktionen.
Es stimmt hoffnungsvoll, dass die immer erfolgreichere Strategie, rechtsextreme Menschenfeinde durch zahlreiche Präsenz auf der Straße an der Vereinnahmung des öffentlichen Raums zu hindern, auch zunehmend auf breite Akzeptanz stößt. Dass jedoch kein Vertreter der Bundesregierung an den Protesten in Dresden teilgenommen hat, ist insbesondere vor dem Hintergrund der Ende letzten Jahres aufgedeckten rechtsextremen Mordserie schlicht armselig.
Veränderung der politischen Lage seit 2010
Mehrere Jahre lang hatten Rechtsextreme den Jahrestag der Bombardierung Dresdens instrumentalisiert, um mit martialischen Auftritten Geschichtsverfälschung zu betreiben. Gegendemos schienen für die von der Union geführte Stadtverwaltung ebenso wie für die sächsische Landesregierung ein größeres Übel zu sein als die Naziaufmärsche selbst, man zog sich auf die grandios gescheiterte Strategie des „stillen Gedenkens“ zurück. Den traurigen Höhepunkt des amtlichen Versagens bildeten die Behinderung der Geh-Denken-Demo und der provokative Polizeieinsatz 2009.
Doch bereits 2010 und 2011 war der größte Nazi-Aufmarsch in Europa mit mutigen Protesten von Bürgerinnen und Bürgern gestoppt worden. Engagierte Bürgerinnen und Bürger aus Dresden und ganz Deutschland hatten sich mit den GegendemonstrantInnen solidarisiert. So war es gelungen, die politische Lage zu verändern: Mittels Menschenketten und Platzbesetzungen wurden die Nazis erfolgreich blockiert. 2011 wurde der erfolgreiche zivilgesellschaftliche Protest jedoch durch die massenhafte Ausspähung der Handy-Verkehrsdaten von Demonstrierenden, Anwohnern, Journalisten, Anwälten und Abgeordneten im Zuge der polizeilichen Ermittlungen wegen Landfriedensbruch bei den Anti-Nazi-Protesten getrübt. Diese Aktion der sächsischen Behörden war völlig unverhältnismäßig und zeugt von einem fragwürdigen Demokratieverständnis.
Die Nazi-Terrorserie hat gezeigt: Gefahr für unsere Demokratie geht nicht von vermeintlich „linksextremem“ zivilen Ungehorsam aus, sondern von gewalttätigen Rechtsextremisten und ihrer menschenverachtenden Ideologie. Es muss gewährleistet sein, dass Bürgerinnen und Bürger ihr Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit ohne Einschüchterung durch flächendeckende Überwachungsmaßnahmen wahrnehmen können – insbesondere dann, wenn sie Feinden der Demokratie friedlich entgegen treten. Offenbar hat diesbezüglich seit dem vergangenen Jahr bei den sächsischen Behörden ein Lernprozess stattgefunden. Zwar harrt die „Handyaffäre“ aus dem vergangenen Jahr noch der umfassenden Aufklärung. Doch die Taktik, friedliche zivilgesellschaftliche Proteste zu kriminalisieren, ist politisch gescheitert.
Insofern geht von der Erfolgsstory Dresden 2012 ein positives Signal für die Demokratie aus.