Unbezogene Unterkunft in Weissach im Tal abgebrannt / Polizei geht in Heidenau gegen Antifa vor / Mehrere Hundert demonstrieren gegen Rassismus / Polizei hält Rassisten in der Nacht von Flüchtlingsheim ab
Update 14.50 Uhr: DGB: Fremdenfeindlichkeit ist in Sachsen leider Realität
Der DGB ist von den ausländerfeindlichen Randalen in Sachsen nicht überrascht. Die gesamte Gesellschaft dürfe ihre Augen nicht davor verschließen, dass es hier jahrelang gewachsene rechtsradikale Strukturen gebe, erklärte DGB-Chefin Iris Kloppich am Montag in Dresden: »Und leider findet deren Ausländerfeindlichkeit und die Ablehnung von Fremden und Flüchtlingen Resonanz bis weit in die bürgerliche Gesellschaft hinein.« Alle gesellschaftlichen Kräfte in Sachsen hätten die Aufgabe, für Weltoffenheit und Toleranz zu werben. Dies müsse endlich gemeinsam und abgestimmt erfolgen.
Zugleich erneuerte Kloppich den Vorschlag, dass politisch Verantwortliche mit Kirchen, Wohlfahrtsverbänden, Arbeitgebern und Gewerkschaften zu einem Gipfel bei der sächsischen Regierung zusammenkommen, um eine abgestimmte Strategie zu erarbeiten.
Update 12.45 Uhr: Amadeu Antonio-Stiftung: Gewalt ist Ergebnis von Verharmlosung rechter Strukturen
Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio-Stiftung, wirft[1] der sächsischen Landesregierung vor, den Rechtsextremismus im Land jahrelang verharmlost zu haben. » Viel zu lange wurde die Demokratiefeindlichkeit und der Rassismus von Pegida als legitimer Protest ›besorgter Bürgerinnen und Bürger‹ verharmlost.« Wie schon in Schneeberg mache die NPD auch in Heidenau keinen Hehl daraus, die Proteste zu organisieren. Mit Blick auf das halbherzige Eingreifen der Polizei und deren personelle Unterbesetzung sagte Reinfrank: »Es ist beschämend, wie die sächsische Landesregierung trotz der Neonazi-Mobilisierung in Heidenau versagt und Flüchtlinge dem rassistischen Mob ausliefert.« Der Stiftungssprecher fordert, dass die Bundesregierung ab sofort alle Kosten für die Unterbringung in den Kommunen übernehmen solle.
Update 12.40 Uhr: Gewerkschaft verlangt nach Randale in Heidenau Taten von der Politik
Nach den Gewaltexzessen Rechtsextremer an einer Flüchtlingsunterkunft in Heidenau hat die Gewerkschaft der Polizei Konsequenzen von der Politik gefordert. »Ich will Taten sehen. Ein Dankeschön von Politikern haben wir säckeweise«, sagte der sächsische GdP-Chef Hagen Husgen am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Die sächsische Regierung müsse die anstehende Evaluierung der Polizeireform nutzen, um den Stellenabbau zu stoppen und mehr Personal einzustellen. »Das Flüchtlingsthema wird uns auf Jahre beschäftigen. Auch andere Aufgaben der Polizei werden nicht weniger.«
Husgen äußerte sich auch zu Kritik an den Polizeieinsätzen in Heidenau. Er glaubt nicht, dass die ursprünglich geplante Personalstärke zu knapp bemessen war. Die Kollegen seien von der Gewaltspirale überrascht worden: »An solchen Stellen wird dann die Personalknappheit bei der sächsischen Polizei deutlich. Es fehlen Kräfte, die kurzfristig hinzugezogen werden können.« Die Kollegen befänden sich mit Pegida-Demonstrationen, Fußball und dem normalen Tagesgeschäft schon seit Monaten in einer stressigen Situation. Hier müsse die Politik ansetzen und nicht nur »Worthülsen« produzieren.
Update 12.35 Uhr: Özoguz: Rolle der NPD in Heidenau genau untersuchen
Nach den Ausschreitungen bei Protesten gegen eine Flüchtlingsunterkunft in Heidenau sieht sich die Flüchtlingsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), im Streben nach einem NPD-Verbot bestätigt. Der Aufmarsch habe seinen Ursprung in einer NPD-Demonstration, sagte Özoguz am Montag in Berlin. Die Rolle der Partei müsse »sehr genau« untersucht werden. »Wir wissen, dass NPD-Funktionäre maßgeblich an der Hetze gegen Flüchtlinge beteiligt sind«, sagte die SPD-Politikerin und ergänzte: »Es bleibt richtig, dass wir alles im Rahmen des Rechtsstaates mögliche tun müssen, um die NPD zu verbieten.«
Update 12.15 Uhr: Merkel lässt ausrichten: Ausschreitungen in Heidenau sind abstoßend und beschämend
Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die rassistischen Ausschreitungen im sächsischen Heidenau mit scharfen Worten verurteilt. Die Regierungschefin ließ ihren Sprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin erklären: »Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, rund um eine Flüchtlingseinrichtung ihre dumpfe Hassbotschaft zu verbreiten. Und es ist beschämend, wie Bürger, sogar Familien mit Kindern, durch ihr Mitlaufen diesen Spuk unterstützen.« Es gebe keinerlei Rechtfertigung für Gewalt. Wer so handele wie in Heidenau, stelle sich weit außerhalb der Werteordnung.
»Deutschland lässt nicht zu, dass Flüchtlinge, über deren schwierige Lebenssituation jeder durchaus einmal nachdenken sollte, von hasserfüllten Parolen empfangen werden oder von alkoholisierten Schreihälsen bedrohten werden«, sagte Seibert.
Update 11.30 Uhr: Gabriel in Heidenau: Rechtsradikalen keinen »Millimeter Raum geben«
Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hat nach den rechtsradikalen Protesten vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Heidenau ein entschlossenes Vorgehen von Politik und Gesellschaft angemahnt. »Man darf diesen Typen, die sich hier in den letzten Tagen ausgebreitet haben, keinen Millimeter Raum geben«, sagte der SPD-Chef am Montag bei seiner Ankunft in Heidenau in der Nähe von Dresden.
Vor einem Gespräch mit dem Heidenauer Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) lobte Gabriel diesen für die klaren Worte nach den gewalttätigen und fremdenfeindlichen Aktionen: »Ich finde, man muss Herrn Opitz den Rücken stärken. Er zeigt eine Menge Mut und Courage.« Anschließend wollte sich Gabriel die Notunterkunft in einem ehemaligen Baumarkt ansehen.
Update 11.00 Uhr: Fremdenfeindlicher Überfall in Chemnitz
Ein 22-Jähriger Afghane ist in Chemnitz am frühen Sonntagmorgen aus einer sechsköpfigen Gruppe heraus rassistisch beleidigt und geschlagen worden. Wie die Polizei am Montag mitteilte, konnte sich der junge Mann in eine Polizeiwache retten. Jetzt werden Zeugen des Vorfalls gesucht und Spuren am Tatort, wie etwa eine als Schlagwaffe benutzte Glasflasche, ausgewertet.
Update 10.10 Uhr: Heidenau ist keine »No-Go-Area«
Der Bürgermeister von Heidenau, Jürgen Opitz, hat sich betroffen über die große Zustimmung in seinem Ort zu den rechtsradikalen Protesten gegen eine Flüchtlingsunterkunft geäußert. »Ich kenne diese Leute«, sagte Opitz am Montag im Deutschlandfunk. Die Rechtsradikalen seien »sicherlich auch aus Heidenau«. Opitz sprach aber auch von einer »unheiligen Allianz« unter Neonazis, die seit ähnlichen rassistischen Protesten in Freital und Dresden »Nazi-Tourismus« betrieben.
Opitz erklärt die große Zustimmung damit, dass die Rechtsradikalen einfache Lösungen für die Angst vor dem Fremden anböten. Es sei der Gesellschaft nicht gelungen, Empathie so zu lenken, dass Fremde als Bereicherung empfunden werden, sagte Opitz.
Der Bürgermeister des Orts südlich von Dresden berichtete auch von Drohungen gegen ihn selbst. Eine Demonstration der Rechtsradikalen am Wochenende sei an seinem Haus vorbeigegangen. Dabei seien Ausrufe wie »Opitz raus« und »Volksverräter« zu hören gewesen. Auch in Mails werde gedroht. Dennoch habe er keine Angst, sagte Opitz.
Den für Montag angekündigten Besuch von Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) und die Besuche sächsischer Politiker am Wochenende sieht der Kommunalpolitiker als Zeichen der Solidarität. »Es hilft mir«, sagte Opitz. Die Politiker zeigten damit, dass Heidenau keine »No-Go-Area« ist.
Update 9.50 Uhr: CDU fordert »Law & Order« statt Aufklärung
Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) hat nach den massiven Ausschreitungen am Wochenende vor dem Flüchtlingsheim in Heidenau bei Dresden Versäumnisse der Behörden eingeräumt. Es sei zu wenig Polizei dort gewesen, sagte Mackenroth am Montag dem Inforadio des RBB. Es müsse alles versucht werden, Flüchtlingsheime besser zu schützen.
Professionelle Wachdienste, Konfliktmanager und Videoüberwachung seien sicherlich notwendig. »Und wir müssen auch darüber nachdenken, ob der Kontrollbereich, den die sächsische Polizei eingerichtet hat, tatsächlich ausreicht. Wenn der nicht ausreicht, die Flüchtlinge zu schützen, dann müssen wir auch über ein Demonstrationsverbot vor solchen Heimen nachdenken«, sagte Mackenroth.
Er forderte zugleich, dass die Täter die ganze Härte des Gesetzes schnell zu spüren bekommen müssten. »Die Justiz muss sich einschalten und zügig dafür sorgen, dass diejenigen, die schweren Landfriedensbruch begangen haben, auch zur Verantwortung gezogen werden«, sagte Mackenroth.
Update 9.45 Uhr: Thierse fordert Besuch Merkels in Heidenau
Der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) aufgefordert, die von rechtsradikalen Ausschreitungen betroffene Flüchtlingsunterkunft in Sachsen zu besuchen. Es sei zwar gut, dass der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel an diesem Montag die Unterkunft in Heidenau besuchen wolle, vor der es am Wochenende die rechten Krawalle gegeben hatte, sagte Thierse am Montag im WDR-Radio. Es wäre aber »noch besser, wenn auch die Regierungschefin sich äußern würde und wenn sie auch hinreisen würde«.
Es gehe darum, »dass wir insgesamt in Deutschland begreifen, welche Herausforderung der Zustrom der Flüchtlinge ist, wie diese Gesellschaft sich ändern wird, dass wir uns dieser Herausforderung auf humane und demokratische Weise stellen müssen«, sagte Thierse. »Das ist eine der großen Herausforderungen der Gegenwart und gewiss auch der nächsten Jahre, und die kann man nicht mit Schweigen beantworten.«
Der CDU-geführten sächsischen Landesregierung warf der SPD-Politiker vor, sie habe die Probleme mit Neonazis in dem Bundesland »immer nicht wahrhaben wollen, fast bis heute, und die Wirkungen sieht man«. Er selbst habe beim Besuch ostdeutscher Kleinstädte bereits vor einem Dutzend Jahren vor dieser Gefahr gewarnt und sei deshalb stets als »Nestbeschmutzer« beschimpft worden. Nun äußere sich die »unterschätzte Herausforderung« auch in Gewalt, und nun müsse der Staat wirklich reagieren, forderte Thierse.
Update 8.30 Uhr: Erneut Brand in Flüchtlingsunterkunft
Ein leerstehendes Gebäude, in dem Flüchtende unterkommen sollten, ist in Weissach im Tal in Baden-Württemberg von einem Feuer weitgehend zerstört worden. Für eine Aussage zur Brandursache sei es noch zu früh, sagte ein Polizeisprecher am Montagmorgen. Ausschließen könne man derzeit nichts - auch keinen Brandanschlag. Der dreistöckige Altbau stand voll in Flammen, als die Rettungskräfte kurz nach 05.00 Uhr eintrafen. Die Feuerwehr hatte den Brand nach rund einer Stunde unter Kontrolle. Das Gebäude sollte in Kürze renoviert werden. Es sei nun definitiv unbewohnbar, hieß es. Der Schaden sei noch nicht zu beziffern.
Polizei geht in Heidenau gegen Antifa vor
Berlin. Am Sonntag sind rund 250 Menschen aus linken Gruppen und der Antifa gegen den Rassismus und die zurückhaltende Reaktion der Behörden darauf im sächsischen Heidenau auf die Straße gegangen. Dort hatte es zwei Tage hintereinander rassistische Ausschreitungen von Neonazis und »besorgten Bürgern« gegeben. In der Nacht zum Montag blieb es vor der Notunterkunft vergleichsweise ruhig.
Eine Demonstration von linken Gruppen und Antifa führte am Sonntag bis zur Flüchtlingsunterkunft, wo bereits etwa 150 Menschen ihre Solidarität mit den Asylsuchenden zum Ausdruck brachten. Auf dem Heimweg der Teilnehmer kam es zu einem Einsatz der Polizei, die Schlagstock und Pfefferspray einsetzte. Eine Nachrichtenagentur sprach von »Zusammenstößen mit mutmaßlich rechten Asylgegnern«. Die Stimmung sei »emotionsgeladen« gewesen, es habe aber »keine nennenswerten Vorfälle« gegeben. »Die Gründe für die Auseinandersetzung und die Zahl möglicher Verletzter müsse noch geklärt werden«, meldete eine andere Nachrichtenagentur.
Die Leipziger Grünen-Bundestagsabgeordnete Monika Lazar bedauerte, dass nicht mehr »normale Bürger« zu dem Heim gekommen seien, um sich für die Flüchtlinge einzusetzen. »Es waren ja auch viele Flüchtlinge hier draußen, so dass man sie hätte kennenlernen und vielleicht auch Vorurteile abbauen können«, sagte Lazar. Die Linken-Vorsitzende Katja Kipping sagte, in Heidenau lasse die rechte Pegida-Bewegung »die Masken fallen«. Eine schweigende Landesregierung und eine »unterbesetzte Polizei«, welche sich mehr mit der Antifa befasst als mit dem »braunen Mob, sind denkbar falscheste Reaktion«, so Kipping. Sie forderte CDU-Ministerpräsident Stanislaw Tillich auf, den »Einsatz gegen den braunen Anti-Flüchtlingsmob zur Chefsache« zu machen.
Nach den rassistischen Ausschreitungen will der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel am Montag die dortige Notunterkunft für Flüchtlinge besuchen. Er kommt Auf Einladung von Sachsens stellvertretenden Ministerpräsidenten Martin Dulig - als erstes Mitglied der Bundesregierung. Gabriel ist derzeit auf einer so genannten Sommerreise und ändert für das Treffen seine bisher geplante Route.
Bei nächtlichen Krawallen hatten Neonazis und Rassisten seit Freitag in Heidenau aggressiv gegen Flüchtlinge Front gemacht, hatten Journalisten attackiert und über 30 Polizisten verletzt. Sachsens Ministerpräsident Tillich sagte dazu, »hier sind Grenzen überschritten worden, die ich kaum noch in Worte fassen kann«. Er versicherte das »Gewaltmonopol des Staates« durchsetzen zu wollen. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) erklärte, »vor allen Dingen darf der Staat nicht nachgeben. Wenn entschieden worden ist, an eine bestimmte Stelle kommt eine Unterbringung für Asylbewerber und Flüchtlinge, dann darf das nicht wegdemonstriert werden.«
In der Nacht zum Montag kontrollierten Polizisten das Gebiet rund um die Einrichtung. Menschen wurden angesprochen und mussten sich teils ausweisen. Schaulustige »und erkennbar rechte Heimgegner wurden zurückgewiesen«, wie es eine Nachrichtenagentur formuliert. In Heidenau gilt seit Sonntagabend ein besonderer Kontrollbereich um die Unterkunft, in dem die Polizei ohne Anlass Personalien feststellen und Taschen etwa auf Waffen oder Feuerwerkskörper überprüfen kann. Außerdem können leichter Platzverweise ausgesprochen werden. Erstmals standen auch zwei Wasserwerfer bereit.
Die Situation sei »entspannt«, sagte Polizeisprecher Marko Laske in Heidenau der Nachrichtenagentur AFP. Rechtsradikale seien lediglich »absolut vereinzelt« in der Nähe der Unterkunft unterwegs. Die mehr als 170 Polizeibeamten vor Ort sorgten demnach dafür, dass es keine Zusammenrottungen von aggressiven Rassisten und »besorgten Bürgern« mehr gebe.
In der Unterkunft sollten nach Angaben des Betreibers bis Sonntagabend etwa 320 Menschen untergebracht sein. Ausgelegt ist das Flüchtlingsheim in dem früheren Baumarkt für bis zu 600 Menschen. Agenturen/nd
[Quelle: www.neues-deutschland.de/....merkel-laesst-beschaemen-ueber-heidenau-ausrichten ]