Nach den Urteilen im NSU-Prozess haben Innenpolitikexperten parteiübergreifend weitere Aufklärung der rechtsextremen Mordserie gefordert.
"Das Engagement und der Aufklärungswille der Behörden dürfen nicht nachlassen", forderte die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl. Sie verwies auf laufende Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt, um weitere Mittäter und Unterstützer des NSU zu identifizieren.
Auch die gesellschaftliche Aufarbeitung sei noch nicht beendet. "Nicht zuletzt den Opfern und ihren Angehörigen sind wir es schuldig, alles dafür zu tun, dass sich solch grausame Verbrechen niemals wiederholen", erklärte Högl.
Das Oberlandesgericht München habe das Umfeld des NSU-Trios "ausgeblendet", kritisierte Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke). "Das halte ich für eine problematische Verengung."
Pau warf deutschen Sicherheitsbehörden wie den Ämtern für Verfassungsschutz vor, die parlamentarische Aufklärung der NSU-Mordserie "be- und verhindert" zu haben. "Ich fordere bis auf weiteres ein Vernichtungsverbot von Akten und Asservaten mit NSU-Bezug im Bund und in den Ländern."
Nach mehr als fünf Jahren Prozessdauer sprach das Oberlandesgericht München am Mittwoch die Urteile im Prozess um die Morde und Gewalttaten des rechtsextremen NSU. Mit den Taten und möglichen Behördenfehlern befassten sich in den vergangenen Jahren mehrere parlamentarische Untersuchungsausschüsse des Bundestags und verschiedener Landesparlamente.
"Die Aufklärung des NSU-Terrors muss auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens unbedingt fortgesetzt werden", verlangten die Grünen-Politikerinnen Irene Mihalic und Monika Lazar. "Uns treibt die Frage um, ob das Netzwerk des NSU mit seinen losen kameradschaftlichen Strukturen über die Jahre und bis zum heutigen Tag fortbestehen konnte und weiterhin aktiv ist."
Er sei fest davon überzeugt, dass das NSU-Trio "zahlreiche Unterstützer" hatte, erklärte der SPD-Innenexperte Uli Grötsch. "Der NSU-Komplex ist mit dem heutigen Urteil nicht restlos aufgeklärt. Die Ermittlungsbehörden sind in der Pflicht, Licht ins Dunkel zu bringen und auch die weiteren Unterstützer aufzudecken."
Auch für den FDP-Innenexperten Stephan Thomae sind "noch viele Fragen" offen, etwa "wie es zu so einem gravierenden Behördenversagen beim Verfassungsschutz kommen konnte". Auch die notwendigen politischen Konsequenzen seien bisher nicht ausreichend gezogen worden.
Die FDP fordere die große Koalition daher auf, "die überfälligen Schlüsse zu ziehen und ein Konzept für eine umfassende Reform der deutschen Sicherheitsarchitektur vorzulegen", sagte Thomae. "Derzeit sind zu viele unterschiedliche Behörden für unsere Sicherheit zuständig."
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz (CDU), rief zu einem entschlossenen Kampf gegen Rechtsextremismus auf. Das Kapitel NSU sei mit dem Urteilsspruch vom Mittwoch "nicht abgehakt", sagte Widmann-Mauz der "Rheinischen Post" (Donnerstagsausgabe). Alle Verantwortlichen stünden in der Pflicht, den Kampf gegen Rechtsextremismus entschlossen voranzutreiben. Es müsse alles daran gesetzt werden, dass sich solche abscheulichen Morde nicht wiederholen könnten. (afp)
[Quelle: www.epochtimes.de]