Nazis im Netz – widerlich, aber präsent!

06.08.2009

Rechtsextremes Denken beruht auf menschenfeindlichen Haltungen, beispielsweise Rassismus, Antisemitismus, Ultranationalismus, Revisionismus, Autoritarismus oder dem chauvinistischen Glauben an die eigene Überlegenheit. Eine zentrale Rolle spielen ethnische Faktoren. Elemente rechtsextremer Ideologien sind in der Bevölkerung weit verbreitet. Sie haben die „Mitte der Gesellschaft“ erreicht und werden in Regionen mit hoher Zustimmung mittlerweile als „normal“ empfunden. Demokratisches Gegengewicht auf allen Ebenen ist also dringend notwendig.

Rechtsextreme Propaganda online

Ein Schlüsselmedium in der Auseinandersetzung mit modernem Rechtsextremismus stellt heute das Internet dar. Dort verbreiten sich Informationen rasend schnell, auch über Ländergrenzen hinweg, und erreichen ein riesiges Publikum.

Gerade wer Jugendliche erreichen will, muss im Netz präsent sein. Das wissen auch Nazi-Organisationen und versuchen gezielt, online für ihre Ziele zu begeistern. In ihren Publikationen greifen sie oft Themen auf, die nah an der Lebenswirklichkeit und den Problemen vieler Menschen sind und treffen teilweise auf erhebliche Akzeptanz. In Werbeclips, Videos und Diskussionsforen versuchen sie, Nutzerinnen und Nutzer persönlich anzusprechen und Gemeinschaftsgefühle zu erzeugen.

Die grüne Bundestagsfraktion verfolgt solche perfiden Strategien intensiv. In einem Bund-Länder-Treffen Rechtsextremismus befassten wir uns näher mit der Öffentlichkeit der Nazis. Weitere Infos dazu kann man hier nachlesen:  
4. Bund-Ländertreffen 2009

Meinungsfreiheit - ein hohes Gut

Häufig wird gefragt, ob der Gesetzgeber nicht faschistische Propaganda im Netz einfach verbieten könne. Die Antwort ist differenziert: Bei der Beurteilung von Medieninhalten bewegen wir uns stets im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und gesetzlichen Verboten.

Denn wir leben in einem demokratischen Rechtstaat, in dem jeder Mensch grundsätzlich seine Meinung frei vertreten darf. Bündnis 90/Die Grünen als Bürgerrechtspartei sind immer für dieses wichtige Recht eingetreten und wollen es weiterhin schützen. Wir sind froh darüber, dass unsere Meinungsfreiheit im Grundgesetz gesichert ist:

Art. 5 GG, Abs. 1,3: [Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu
unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch
Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(3) Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei. Die Freiheit der Lehre entbindet nicht von der Treue zur Verfassung.

Keine Meinungsfreiheit für Verfassungsfeinde!

Leider werden diese Rechte von Neonazis missbraucht, die mit ihrer Ideologie eine Abschaffung des Grundgesetzes anstreben und für bestimmte Menschengruppen am liebsten sämtliche Rechte abschaffen würden.

Obwohl wir das Recht auf freie Meinungsäußerung erhalten wollen, finden wir ihre Propaganda unerträglich und wollen deren Verbreitung gern unterbinden. Zunächst muss man klarstellen, dass für das Internet kein gesondertes Recht existiert. Im Netz gelten für Meinungsäußerungen die gleichen Gesetze wie an jeder anderen Stelle.

Trotz seiner hohen Schutzwirkung sieht unser Grundgesetz keine Meinungsfreiheit „um jeden Preis“ vor, sondern setzt Grenzen. In Art. 5 Abs. 2 GG ist formuliert, dass Schranken für Meinungsäußerungen in den allgemeinen Gesetzen, den gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen und dem Recht der persönlichen Ehre festgelegt sind.

Art. 5 GG: [Meinungs-, Informations-, Pressefreiheit; Kunst und Wissenschaft]
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
Das Gesetz eröffnet also die Möglichkeit, die freie Meinungsäußerung in bestimmten Fällen doch einzuschränken. Hier einige Beispiele von Paragraphen, die bei Nazi-Aktivitäten häufig zum Tragen kommen:

  • § 86 StGB Verbreitung von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen
  • § 86a StGB Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen
  • § 130 StGB Volksverhetzung
  • § 130a StGB Anleitung zu Straftaten
  • § 166 StGB Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsgemeinschaften
  • § 185 StGB Beleidigung
  • § 186 StGB Üble Nachrede
  • § 187 StGB Verleumdung

Bei jedem Verdacht auf strafbare Äußerungen oder Handlungen im Sinne des Strafgesetzbuches sollte immer Strafanzeige gestellt werden.

Strafbare Nazi-Inhalte sperren!

Näheres zum Umgang mit strafbaren Inhalten regelt für deutsche Anbieter das Telemediengesetz. Dort steht sinngemäß: Werden Internetanbieter benachrichtigt, dass sich auf ihren Seiten rechtswidrige Inhalte befinden, sind sie verpflichtet, diese Inhalte zu entfernen. Anderenfalls können sie strafrechtlich belangt werden.

Eine weltweite Vereinbarung zum abgestimmten Wirken gegen Internetkriminalität gibt es leider nicht. Insofern kann man bei der Verfolgung strafbarer Aktivitäten im Netz an die Grenzen nationaler Gesetzgebung stoßen. Zwischen vielen Ländern wird aber die Zusammenarbeit zunehmend verbessert.
Viele Menschen rufen nach einer  Verschärfung der Gesetze. Dies wäre aber nicht der Königsweg.

Vielmehr müssen die vorhandenen Möglichkeiten konsequenter als bisher umgesetzt werden. Reagiert ein Anbieter auf Benachrichtigungen nicht, muss er auch tatsächlich strafrechtliche Probleme bekommen. Die Fahnder stehen jedoch der Verbreitung im Netz oft hilflos gegenüber. Ihre personellen Kapazitäten sind zu gering, um Millionen von Seiten gründlich durchforsten und Strafbares konsequent anzeigen zu können. Deshalb sind auch Hinweise aus der Bevölkerung sehr hilfreich.

Entlarven, auslachen, widerlegen!

Neben strafbaren Inhalten gibt es viel faschistische Propaganda, die sich geschickt an den Grenzen des rechtlich Zulässigen entlang schlängelt. Hier sind Entlarven und Argumentieren gefragt! Nichts darf unwidersprochen bleiben. Zu jeder braunen Hetzparole brauchen wir eine demokratische Gegenaussage.
Zwar sind rechtsextreme Inhalte letztlich immer dumm und widerlegbar. Doch diese Auseinandersetzung erfordert Engagement, Zeit und Einfallsreichtum. Ich freue mich deshalb sehr über gute Ideen und Formate für den Internetkampf gegen Nazis.

Einen interessanten Ansatz verfolgt die Redaktions-Gruppe „Faschismus 2.0“. Sie präsentiert z.B. rechtsextreme Texte und zeigt, wie lächerlich und abwegig diese sind. Dabei werden die inhaltliche Kontinuität zwischen dem historischen und modernen Faschismus verdeutlicht und auf oft satirische Weise Nazi-Ideologien und –Aktionen kommentiert: www.faschismus2.de
 
Monika Lazar
Bündnisgrüne Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus
und Mitglied des Deutschen Bundestages