Letzte Woche wurde bekannt, dass zum Bundesweiten Vorlesetag, der in diesem Jahr am 17. November stattfindet, auch Landtagsabgeordnete der AfD eingeladen wurden. Der Vorlesetag, der von der Stiftung Lesen seit 2004 in Partnerschaft mit der „Zeit“ und der Deutschen Bahn Stiftung ausgerichtet wird, möchte die Bedeutung des Lesens und Vorlesens stärken. „Jeder kann dabei sein und an diesem Tag Geschichten zum Geschenk machen“, heißt es auf der Webseite.
Tatsächlich kann jeder teilnehmen, der vor Kindern lesen möchte und einen Leseort findet. Traditionell werden zur Teilnahme auch Politiker ermutigt. Die NPD sei wegen „der offensichtlichen Demokratiefeindlichkeit“ in früheren Jahren ausgeschlossen gewesen, erklärte die Projektverantwortliche bei der „Zeit“, Clara Bluhm auf Nachfrage. Darüber, ob der Informationsflyer über einen Adressverteiler auch an AfD-Mandatsträger geschickt werden sollte, sei – so Bluhm – unter den Partnern „kontrovers diskutiert“ worden, schließlich hätte sich aber die Auffassung durchgesetzt, dass es sich um eine demokratische Partei handle.
Der eigentlich unpolitische und lobenswerte Vorlesetag löste nun eine Debatte aus. So wandte sich der Schriftstellerverband Pen Deutschland an die Stiftung Lesen und erklärte, dass „die Grundsätze der AfD sich gegen die bestehende kulturelle Vielfalt und Toleranz“ richteten. Sie seien „nicht vereinbar mit den an Schulen und Kitas vertretenen und unsere Gesellschaft bereichernden Leitbildern.“ Vorstand und Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Jugendbuchverlage (avj) forderten in einer Erklärung die Initiatoren auf, die Einladung an AfD-Politiker zurückzuziehen. Sie warnen davor, „dass die Maßstäbe der öffentlichen Moral auch in der Kulturszene sich schleichend zu verschieben beginnen.“
Für Monika Osberghaus, als Leiterin des Klettkinderbuchverlages Leipzig Mitglied im avj, ist die Vorstellung unerträglich, „dass etwa Björn Höcke in einer Kita sitzt und aus einem Kinderbuch vorliest. Schon allein die Einladung ist schlimm, da sie die AfD in den Kreis der gesellschaftlich akzeptierten Bildungsförderer aufnimmt.“
Die Stiftung Lesen reagierte auf die Kritik mit einer Pressemitteilung, in der es heißt: „Die drei Initiatoren nehmen die Kritik an dem breiten Verteiler für Politiker ernst. Sie beobachten die politische Entwicklung, besonders der AfD, und werden ihr Vorgehen 2018 überprüfen. Grundsätzlich gilt: Der Vorlesetag ist keine politische Plattform, sondern weckt die Begeisterung am Lesen und Vorlesen.“
Damit wird die Verantwortung für dieses Jahr an die Bildungseinrichtungen verlagert, kritisierte die grüne Leipziger Bundestagsabgeordnet Monika Lazar gegenüber der LVZ. „Die AfD ist eine rechtspopulistische Partei mit Verbindungen ins rechtsextreme Lager, ihr völkisch-nationalistischer Flügel wird immer größer. Die AfD hetzt vor allem gegen Muslime und Flüchtlinge.“ Wer AfD-VertreterInnen zum Vorlesen in Schulen und Kitas einlade, signalisiere, dass eine solche Einstellung „vielleicht nicht mehrheitsfähig, aber okay“ sei, so die Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus weiter, „aber das ist sie nicht“.
Autorin: Anna Kaleri