Wir haben keine Zweifel, dass Beate Zschäpe und die Mitverurteilten Teil des grausamen NSU-Terrorsystems waren, dem nach heutigem Kenntnisstand zehn Menschen zum Opfer fielen. Auch mit Blick auf die Angehörigen begrüßen wir, dass nach weit mehr als fünf Jahren und 430 Verhandlungstagen ein klares Urteil gesprochen wurde.
Leider wurde im Verfahren nur ein kleiner Teil des gesamten Netzwerkes ausgeleuchtet, sodass man davon ausgehen muss, dass noch viele weitere Mitbeteiligte und Schuldige sich frei im öffentlichen Raum bewegen. Die Bundesanwaltschaft hat den Blick viel zu frühzeitig auf das Trio und ein paar Helfer verengt. Der sehr wahrscheinlichen These, dass das Trio nur Teil eines viel größeren, möglicherweise terroristischen Zusammenhangs war, konnte somit nicht mehr nachgegangen werden. Dabei haben diverse Untersuchungsausschüsse in Bund und Ländern deutlich aufgezeigt, wie wenig plausibel die Grundannahme der Anklage ist, dass Mundlos, Böhnhardt und Zschäpe und ein paar befreundete Helfer ohne Einbindung in größere Zusammenhänge gehandelt haben. Die Frage nach der Tatortauswahl beispielsweise wurde seitens der Ermittler nie intensiver behandelt. Das bedeutet für die Familien der Opfer, dass sie weiterhin keine Antwort auf ihre quälende Frage haben, warum ausgerechnet ihr Angehöriger als Opfer ausgewählt wurde. Die weiterhin bestehende Unkenntnis über das terroristische Netzwerk sowie der immer offener zu Tage tretende Rassismus führen zu einer anhaltenden Verunsicherung unter Migrantinnen und Migranten und People of Color.
Die Aufklärung des NSU-Terrors muss auch nach Abschluss des Gerichtsverfahrens unbedingt fortgesetzt werden. Dabei geht es nicht nur um Vergangenheitsbewältigung. Uns treibt die Frage um, ob das Netzwerk des NSU mit seinen losen kameradschaftlichen Strukturen über die Jahre und bis zum heutigen Tag fortbestehen konnte und weiterhin aktiv ist. Denn die Sicherheitsbehörden, vor allem auch der Verfassungsschutz, nehmen selbst über sechs Jahre nach der Selbstenttarnung des Trios die Strukturen der Nazis nicht intensiver in den Blick. Es bleibt auch heute bei der Fixierung auf isolierte Einzeltäter ohne Einbindung in größere Szenezusammenhänge. Das ist verantwortungslos angesichts des hohen Gewalt- und Gefahrenpotentials, das von Neonazis ausgeht.