Protest in Leipzig - Flüchtlinge wollen nicht nach Heidenau

Pressebericht, Spiegel online, 25.08.2015

Nach den rechtsextremen Krawallen wehren sich in Leipzig einige Flüchtlinge, nach Heidenau verlegt zu werden. Demonstranten blockierten eine Zufahrt. Bundestagspräsident Lammert verurteilte rechte Gewalt als "peinlich für unser Land".

Rund 150 Menschen haben am Montagabend vor einer Sporthalle in Leipzig demonstriert - sie blockierten die Zufahrt zu einem Gebäude, in dem vorübergehend Flüchtlinge untergebracht sind. 51 von ihnen sollten abgeholt werden, um nach Heidenau gebracht zu werden. Ein bereitgestellter Bus fuhr unverrichteter Dinge wieder ab, wie die Polizei mitteilte.

Medienberichten zufolge wehren sich einige der Flüchtlinge in Leipzig dagegen, nach Heidenau verlegt zu werden. In der 16.000-Einwohner-Stadt war es am Freitag und Samstag zu schweren Ausschreitungen von Rechtsextremen gekommen, sie attackierten Polizisten, die eine neue Notunterkunft schützten. Mehr als 30 Beamte wurden verletzt. Zuvor hatte es am Freitag eine NPD-Demonstration gegen die Erstaufnahmeeinrichtung in einem ehemaligen Baumarkt gegeben.

Bis zum Abend sprachen Behördenvertreter mit den Flüchtlingen und Hilfsorganisationen über mögliche Alternativen. Für die Flüchtlinge haben die Bundestagsabgeordnete Monika Lazar (Grüne) und die Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Linke) die Verhandlungen übernommen.

Als Alternative waren eine Asylunterkunft in Grillenburg und die Ernst-Grube-Halle in Leipzig im Gespräch. Schließlich wurde entschieden, dass die Flüchtlinge eine weitere Nacht in der Sporthalle verbringen. Am Dienstag will die Landesdirektion Sachsen entscheiden, in welche Unterkunft die Menschen gebracht werden.

Die Flüchtlinge waren nach Leipzig gebracht worden, nachdem eine Zeltstadt in Chemnitz wegen schweren Regenfälle geschlossen werden musste.

Lammert: "Peinlich für unser Land"

Die rechtsextreme Gewalt und der Fremdenhass in Heidenau hatten deutschlandweit für Empörung gesorgt. Bundestagspräsident Norbert Lammert verurteilte die gewalttätigen Ausschreitungen rund um Flüchtlingsunterkünfte als "Schande". Sie seien "peinlich für unser Land", sagte der CDU-Politiker der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung". Allerdings kämen auf jede fremdenfeindliche Aktion in Deutschland statistisch gesehen 20 ehrenamtliche Aktionen für Flüchtlinge. "Es gibt in Deutschland eine anrührende, spontane und breite Bereitschaft, Flüchtlingen zu helfen", sagte Lammert. "Aufmärsche und Gewaltaktionen gehen von einer winzigen Gruppe aus, die oft von Wander-Randalierern unterstützt wird."

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) hatten am Montag die gewalttätigen Ausschreitungen in Heidenau ähnlich deutlich kritisiert. "Es ist abstoßend, wie Rechtsextreme und Neonazis versuchen, dumpfe Hassbotschaften zu verkünden", sagte Merkel. Gabriel sprach bei einem Besuch in der Kleinstadt von "Pack". Er sagte: "Für die gibt's nur eine Antwort: Polizei, Staatsanwaltschaft und nach Möglichkeit für jeden, den wir da erwischen, das Gefängnis."

Heidenaus Bürgermeister Jürgen Opitz (CDU) mahnte am Montagabend erneut Solidarität mit den Bewohnern der Notunterkunft an. Er forderte von den Bürgern der Stadt ein "freundliches Entgegenkommen" und menschlich anständiges Verhalten. "Das kann man von jedem verlangen, und das ist noch kein großes Opfer", sagte er im ARD-"Nachtmagazin". Die Stadt hatte zuvor auf ihrer Facebook-Seite erklärt, nach Beschimpfungen und Hass-Erklärungen die Kommentarfunktion für einige Tage ruhen zu lassen:

Polizisten sind weiterhin stark präsent in Heidenau. Die Beamten hatten am Sonntag in der Stadt eine Kontrollzone eingerichtet, die Polizei kann so anlasslos Personalien überprüfen, Platzverweise und Aufenthaltsverbote aussprechen. Nach Angaben der Polizei blieb es in der Stadt bis zum frühen Dienstagmorgen ruhig.

Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) hatte zuvor im MDR die kurzfristige Wiedereinführung von Wachpolizisten unterstützt, so soll die angespannte Personallage bei der Polizei in Sachsen bewältigt werden. Durch die monatelangen Einsätze bei Pegida-Kundgebungen und Demonstrationen gegen Asylbewerberunterkünfte sind die Beamten am Limit. Ulbig griff damit einen Vorschlag der Fraktionen von CDU und SPD auf. Nach einer verkürzten Ausbildungszeit von etwa einem Vierteljahr könnten Bewerber befristet in den Polizeidienst eingestellt und hoheitlich tätig werden, sagte Ulbig. Sie könnten dann einfache Arbeiten wie Objektschutz übernehmen.

Am Montagabend versammelten sich Gläubige in Heidenau zu einem "Gebet für unsere Stadt". Sie beklagten Hass und Gewalt. Der Aufruf der Kirchen sorgte bei Twitter angesichts der Wortwahl allerdings für Kritik


[ Quelle: www.spiegel.de/...fluechtlinge-in-leipzig-wollen-nicht-nach-heidenau]