Von Alessandro Peduto
Berlin - Günter Baumann ist im Bundestag nicht unbedingt derjenige, den es ans Rednerpult drängt. Doch in der gestrigen Aktuellen Stunde zu den Vorfällen in Clausnitz und Bautzen ist es der CDU-Abgeordnete aus dem Erzgebirge, der als einer der wenigen zu jenem Wort findet, das aus der sächsischen Regierungspartei CDU bislang nicht zu hören war: Entschuldigung.
Nach der Blockade einer Flüchtlingsunterkunft durch eine pöbelnde Menge vergangene Woche in Clausnitz und nach dem Brand eines geplanten Asylbewerberheims in Bautzen hatten die Grünen das Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Es sind vor allem Politiker aus Sachsen, die gestern das Wort ergreifen. Bundesminister sind hingegen nicht erschienen, sie haben Vertreter geschickt, was die Opposition scharf kritisiert.
Baumann sagt, als sächsischer Abgeordneter wolle er sich bei den Asylsuchenden von Clausnitz sowie bei den vielen Ehrenamtlichen in der sächsischen Flüchtlingshilfe für die Ereignisse entschuldigen. Zugleich verwehre er sich aber dagegen, "alle Sachsen unter Generalverdacht zu stellen". "Ein Frontalangriff gegen alle Sachsen hilft uns nicht weiter und ist absolut ungerecht", sagt Baumann, "Sachsen ist nicht rechtsradikal und auch nicht ausländerfeindlich". Bei den Tätern handle es sich um Einzelfälle.
Dem widerspricht die sächsische Linke-Abgeordnete Caren Lay jedoch vehement. Sachsen habe gemessen an der Einwohnerzahl die meisten rechtsextremen Übergriffe. "Herr Baumann, wenn Sie von Einzelfällen sprechen, dann haben Sie den Schuss nicht gehört", ruft sie. Bautzen liege im Wahlkreis von Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). "Aber wenn der nicht sieht, was vor seiner eigenen Haustür passiert, ist er der falsche Mann am falschen Platz", sagt Lay. "Weggucken und Wegducken" sei seit Jahren die Strategie der sächsischen CDU im Umgang mit Rechtsextremismus.
Auch Lays Fraktionskollege Michael Leutert aus Chemnitz widerspricht Baumann. "Es handelt sich nicht um Einzelfälle. Das ist sächsische Normalität." Die CDU in Sachsen habe schon immer alles dafür getan, zivilgesellschaftliches Engagement gegen Rechts zu kriminalisieren, "deshalb fühlt sich der braune Mob in Sachsen nicht nur im Recht, sondern in Sicherheit".
Die Grünen-Abgeordnete Monika Lazar aus Leipzig empört sich über eine "Anhäufung von Fehlern und Peinlichkeiten" im Anschluss an die Vorfälle in Bautzen und Clausnitz. Sie erwähnt den Chemnitzer Polizeichef Uwe Reißmann, der den Flüchtlingen in Clausnitz eine Mitschuld an der Stimmung vor der Unterkunft gab. Und sie bezieht es auf den umstrittenen Clausnitzer Heimleiter Thomas Hetze, der "zum Schutz seiner eigenen Person" abberufen worden sei.
Der SPD-Abgeordnete Uli Grötsch sagt, in Sachsen scheine der "Nährboden und das Klima für Neonazis optimal zu sein". Dort könne "die braune Soße seit der Wende ungehindert wabern". Er hält am Rednerpult eine Grafik der Amadeu-Antonio-Stiftung hoch, auf der alle Übergriffe auf Asylunterkünfte bundesweit eingezeichnet sind. Er nennt sie eine "Karte der Schande". Jeder sechste Anschlag habe in Sachsen stattgefunden.
Unweit von Grötsch sitzt in der ersten Reihe der Vizefraktionschef der Union, Michael Kretschmer, seit Jahren auch Generalsekretär der Sachsen-CDU. Grötschs Kritik richtet sich insofern auch direkt gegen ihn. Kretschmer ist in diesem Moment sichtlich gespannt. In seiner Rede wenig später sagt er, die jüngsten Vorfälle hätten ihn "tief erschüttert". Er frage sich, wo diese Entwicklung hinführe, "so kann es nicht weitergehen". Die Demokraten müssten jetzt zusammenstehen. Es sei aber "nicht in Ordnung", wenn in der Debatte mit dem Finger auf andere gezeigt und von "Pack" gesprochen werde. Dabei hatte doch Tillich selbst kürzlich gesagt, die Täter seien keine Menschen, sondern Verbrecher.
Innenstaatssekretär Günter Krings (CDU), der als einziger Regierungsvertreter das Wort ergreift, betont, der Staat werde "Null Toleranz" gegenüber Ausländerfeinden zeigen. Die Demokratie müsse aber in der Lage sein, solche "Dummheit und geistigen Unrat auszuhalten".