Überwachung: Fußball-WM - Polizei übermittelte Daten von 37 deutschen Fans nach Russland

Pressebericht, netzpolitik.org, 26.10.2018

Rund 10.000 Personen sind aktuell in der "Datei Gewalttäter Sport" erfasst. Nur die wenigsten von ihnen sind Hooligans. Vor der WM schickte die Bundespolizei in 37 Fällen ihre Daten nach Russland. - Monika Lazar kritisiert die Datenübermittlung an Russland.

Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft der Männer in Russland hat die Bundespolizei Daten von 37 deutschen Fußballfans an die russischen Behörden übermittelt. Das sind etwas mehr als bislang bekannt war: Im Sommer war noch von 30 Betroffenen die Rede. Zudem hinderte die Polizei neun Personen an der Ausreise und führte 251 Gefährderansprachen durch. Dabei warnt die Polizei zuvor auffällig gewordene Personen schriftlich oder persönlich davor, an gewalttätigen Ausschreitungen teilzunehmen. Die neuen Zahlen stammen aus einer Antwort des Innenministeriums auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Monika Lazar.

Ein Platzverweis reicht aus


Gemeinsam haben alle Personen, zu denen Daten nach Russland geschickt wurden, dass sie in der Datei Gewalttäter Sport erfasst sind. In der Datenbank registriert die Polizei mutmaßlich gewalttätige Fans mit bis zu 50 Details – von Schuhgröße bis Anschrift. Aktuell umfasst die Datei 10.100 Personen. Für eine Speicherung reichen mitunter bereits Lappalien – ein Ermittlungsverfahren oder gar eine Verurteilung sind nicht notwendig. "Auch als Unschuldiger können Sie als Gewalttäter gelten, wenn Sie am falschen Ort sind", erklärte Fananwalt Torsten Kellermann der taz.

Rund ein Fünftel aller erfassten Fans sind wegen eines Platzverweises oder einer Personalienfeststellung im Umfeld eines Fußballspiels in der Datei gespeichert. Nur die wenigsten Betroffenen wissen davon, denn lediglich Bremen und Rheinland-Pfalz benachrichtigen Fans über die Speicherung in der Datei. Fangruppen und Juristen sehen in der Datei bereits seit Längerem einen Verstoß gegen die Grundrechte von Tausenden Fußballfans. Sie fordern höhere Hürden für die Speicherung, damit Fans nicht mehr aus vagen Verdachtsgründen in einer Datenbank landen, eine Benachrichtigungspflicht und die Löschung aus der Datei nach Einstellung eines Verfahrens.

Die Datenübermittlung nach Russland in diesem Sommer geschah auf Anfrage der russischen Sicherheitsbehörden. Ob Daten übersandt werden, entschied die Bundespolizei nach einer Einzellfallprüfung, in der sie unter anderem die letzte Tat, den Speichergrund und eine "erfahrungsgemäße Prognose des zukünftigen Verhaltens" der Personen berücksichtigte, heißt es vom Bundesinnenministerium. Mitunter wurden Daten über Personen weitergegeben, die zuvor nicht nicht verurteilt worden waren. In elf weiteren Fällen entschied sich die Bundespolizei gegen eine Datenübermittlung.

Grüne: Dringender Reformbedarf

Monika Lazar, sportpolitische Sprecherin und Obfrau der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sportausschuss, kritisiert die Datenübermittlung an Russland gegenüber netzpolitik.org. "In Russland ist mit Sicherheit kein ausreichendes Datenschutzniveau vorhanden, was aber gesetzliche Bedingung für einen Datenaustausch gewesen wäre." Das Innenministerium erklärt in seinen Antworten auf die Kleine Anfrage, die russischen Behörden hätten zugesichert, die Daten nach der Weltmeisterschaft gelöscht zu haben. Wie vertrauenswürdig diese Angabe ist, scheint fraglich, wenn zuletzt sogar russische Geheimdienstmitarbeiter durch geleakte Datenbanken identifiziert werden konnten.

Für Lazar zeigt der Fall der Datenübermittlung wieder einmal den dringenden Reformbedarf bei der "Datei Gewalttäter Sport". "Die Datei in der jetzigen Form ist kaum aussagekräftig", so die Bundestagsabgeordnete. Ganz im Gegenteil: Die skandalöse Speicherpraxis trage nur dazu bei, das teils schwierige Verhältnis von Fußballfans und Polizei weiter zu verschlechtern.


Autor: Simon Rebiger

[Quelle: netzpolitik.org]