Von Robert Kempe und Thomas Purschke
Rolf Beilschmidt war Weltklassehochspringer und ist heute Chef des Landessportbundes Thüringen. Nun kam ans Licht, dass er in den Achtzigerjahren intensiv mit dem DDR-Geheimdienst zusammen gearbeitet hat. Sein Jugendfreund ist ausgerechnet der Chef der Stasi-Unterlagenbehörde Roland Jahn. Der nahm ihn bislang in Schutz und bezog heute Stellung.
Es war eine lebhafte Debatte kurz vor Mitgliederversammlung des Doping-Opfer-Hilfe-Vereins DOH. Im Mittelpunkt der Leiter der Stasiunterlagenbehörde Roland Jahn. Der sich einiges anhören musste.
„Jetzt fängst du wieder an zu eiern!"
„Ich fange nicht an zu eiern. Ich sage klar und deutlich. Wir brauchen eine öffentliche Diskussion und nicht der Bundesbeauftragte sagen: gut oder böse."
Denn Jahn wurde unter der Woche von den Dopingopfern scharf kritisiert für seine Zurückhaltung in der Causa Rolf Beilschmidt. Beilschmidt ist im Thüringer Landessportbund Hauptgeschäftsführer und ein Jugendfreund Jahns.
Über Beilschmidts Stasi-Verstrickungen und über sein jahrelanges Verharmlosen des DDR-Zwangsdopings wurde immer wieder berichtet. Zuletzt kamen neue Dokumente über Beilschmidt ans Licht. Die belegen, dass dieser - entgegen der bisherigen Erkenntnisse - auch in den Achtzigerjahren intensiv und lange mit dem DDR-Geheimdienst zusammengearbeitet hatte. Als Nachwuchs-Cheftrainer und späterer Spitzenfunktionär des DDR-Elite-Sportclubs SC Motor Jena lieferte er auch intime Details über Sportler und Angestellte. Bislang war nur bekannt, dass Beilschmidt in seiner Zeit als Athlet – er war ein Weltklassehochspringer- für die Stasi tätig war.
Auch die Vorsitzende des DOH Ines Geipel wurde von Beilschmidt bespitzelt. Beilschmidt behauptete noch diese Woche – also nach den neuen Enthüllungen - dies nie getan zu haben.
Ines Geipel dazu: „Rolf Beilschmidt lügt weiter. Was soll ich dazu sagen? Wenn er stattfindet in meiner Opferakte – und zwar sehr konkret - dann findet er statt. Das ist ja dramatisch genug, dass jetzt, wo er in der zweiten Runde als informeller und formeller Zuträger der Stasi, neue Akte auf dem Tisch liegen, immer noch dementiert wird."
Beilschmidt lieferte auch Informationen über Roland Jahn der Staatssicherheit. Jahn erwähnt Beilschmidt in seinem aktuellen Buch, doch hält sich der BSTU-Chef mit Kritik an seinem Jugendfreund zurück. Auch fehlen wichtige Details zu Beilschmidt. Für viele Dopingopfer nicht hinnehmbar. Jahn wurde aufgefordert, sich endlich klar zu positionieren.
„Also ich möchte eigentlich nur eine Frage stellen. Distanzieren Sie sich von dieser Person?"
„Ich habe mich schon als Jugendfreund von ihm distanziert. Verstehen Sie, ich habe nicht nötig, mich zu rechtfertigen, mich von ihm zu distanzieren. Ich habe mich schon als Jugendfreund von seiner politischen Entwicklung, von seinem politischen Verhalten distanziert."
Distanzierung, aber keine Beurteilung
Jahn forderte, dass sich Beilschmidt seiner Verantwortung stellen müsse. „Jeder wird gleichbehandelt, ob ich ihn kenne oder nicht. In dem Sinne gilt das auch für Rolf Beilschmidt. Er wird genauso behandelt wie alle anderen.
Erstmals fand Jahn auch deutlichere Worte für Beilschmidts Wirken. „Ich habe mich damals, als mein Jugendfreund eine Postkarte abgegeben hat, bei seinen Genossen, klar und deutlich verraten gefühlt." Eine Bewertung des Falls nahm Jahn nicht vor. Er wolle kein Richter sein. Weiterhin sehe er sich aber als Anwalt der Opfer. Auch aus diesem Grund reichten Ines Geipel, Vorsitzende des Dopingopfer-Hilfe-Vereins, die Ausführungen Jahns nicht aus.
„Er ist der Anwalt der Opfer, und da bleibt es dabei. Es wäre doch eine Möglichkeit von Seiten Roland Jahns zu sagen: Ja, ich bin hier befangen. Das sollen Historiker entscheiden. Aber er äußert sich öffentlich eben immer wieder und holt Rolf Beilschmidt im Grunde auch öffentlich an seine Seite. Und da scheint es mir eine Verwechslung zu geben. Und auch eine Beschädigung seines Amtes."
Beilschmidt selbst geriert sich in Thüringen derzeit als Medien-Opfer. Die DDR-Vergangenheit des heute ranghöchsten Thüringer Sportfunktionärs wurde im Freistaat sowohl vom organisierten Sport als auch der Landespolitik nie ernsthaft hinterfragt. Bis heute. Dafür hat der Fall Beilschmidt nun den Bundestag erreicht. So sagt Monika Lazar, die Obfrau der Grünen im Sportausschuss:
„Ich bin da schon entsetzt und entrüstet. Es ist beschämend, dass diese ehemaligen Funktionäre und Stasizuträger weiterhin in Amt und Würden sind. Und in mit so einer herausragenden Funktion den Sport auf Landesebene vertreten. Eigentlich müsste Herr Beilschmidt die Konsequenzen ziehen und von seinem Posten zurücktreten."
Doch nun soll sich die Stasikommission des DOSB mit dem Fall Beilschmidt befassen. Die hat zuletzt selbst den einstigen DDR-Eiskunstläufer und späteren Erfolgstrainer Ingo Steuer aus Chemnitz einen Persilschein ausgestellt. Steuer arbeitete jahrelang als Spitzel und berichtete über intimste private Details.
Die Causa Beilschmidt zeigt: Auch 25 Jahre nach dem Mauerfall sind im deutschen Spitzensport Täter immer noch fest verankert. Gestützt von Politik und Sport. Viele Stasi-Opfer hingegen fühlen sich allein gelassen. Mehrere Dopinggeschädigte sind an Spätfolgen schon gestorben. Viele andere sind durch schwerste körperliche Leiden arbeitsunfähig und kämpfen für eine Rente. Oft laufen die Verfahren schon seit Jahren. Ein Ende ist bislang nicht in Sicht.
[Beitrag hören: www.deutschlandfunk.de/debatte-bei-den-doping-opfern-jahn-bezieht-stellung]