Fanrechte: Gutes Kombinationsspiel

Pressebericht, junge welt, 12.05.2021

Datei "Gewalttäter Sport": Bundespolizei sieht unmittelbare Informierung Betroffener als Aufgabe an – unterlässt es aber

Es sind passgenaue Zuspiele. Progressive Abgeordnete aus dem Sportausschuss des Bundestags setzen das Bundesinnenministerium (BMI) weiter unter Druck. Mittels kleiner parlamentarischer Anfragen und sogenannter schriftlicher Fragen zum Beispiel. Die sportpolitischen Sprecherinnen der Grünen und der FDP, Monika Lazar und Britta Dassler, sind zumeist einen Spielzug voraus. Immer im Blick: die ominöse Datei »Gewalttäter Sport« (DGS) (jW berichtete mehrmals).

Die DGS gilt Kritikern als eine Art Mogelpackung; mitnichten sind in der durch das Bundeskriminalamt als sogenannte Verbunddatei geführten Datenbank nur »Gewalttäter« erfasst. Es reicht, zum falschen Zeitpunkt am falschen Platz gewesen zu sein, um einen DGS-Eintrag zu erhalten – nach einem Platzverweis etwa. Eines der Probleme: Es gibt mit Ausnahme der Bundesländer Bremen und Rheinland-Pfalz keine bundesweite Informationspflicht. Personen erfahren so nicht, dass sie betroffen sind, verlangen deshalb keine Auskunft.

Keine Pflicht, kein Gebrauch

Zum parlamentarischen Spiel gehört auch: Antworten des BMI in Sachen Fanrechte führen oftmals zu Folgefragen. Wie in diesem Fall. Das Ministerium von Horst Seehofer (CSU) behauptete am 21. April auf eine kleine Anfrage unter dem Titel »Transparenz und Richtigkeit der Datei ›Gewalttäter Sport‹« der liberalen Sportpolitikerin Dassler, dass die Bundespolizei alle von einer Speicherung in die DGS betroffenen Personen gewissermaßen proaktiv und unmittelbar über einen Eintrag informiere.

Das wollte nun die Grüne Lazar genauer wissen, fragte also nach, wie viele Betroffene in den vergangenen 27 Monaten durch die Bundespolizeibehörden ohne Umwege über eine persönliche Datenerfassung unterrichtet worden seien. Apropos Bundespolizei: Sie verfügt derzeit über 222 »szenekundige Beamte«, die »unter Berücksichtigung einer saisonalen Prognose« im Umfeld von Fußballspielen eingesetzt werden, hieß es seitens des BMI auf Dasslers Anfrage.

Zurück zu Lazars Vorstoß – und der Antwort aus dem Hause Seehofers vom Montag, die jW exklusiv vorliegt. Darin steht: Die Bundespolizei sehe »in ihrer Regelung zur Nutzung der DGS keine Benachrichtigungspflicht über alle von einer Speicherung in die Datei betroffenen Personen vor«. Soweit, so schlecht. »Davon unbenommen«, heißt es weiter, »hat die Bundespolizei für ihre eigene Aufgabenwahrnehmung umgesetzt, dass die von einer Speicherung (…) betroffenen Personen aus kriminalpräventiven Gesichtspunkten auch ohne Antragstellung unmittelbar durch die zuständigen Bundespolizeidirektionen informiert werden können.« Und geschieht das auch? BMI: »In den vergangenen 27 Monaten hat die Bundespolizei von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht.« Kurios, mindestens. Warum nur?

Nicht gewollt

Der erste Antwortversuch kommt von Lazar: »Ich muss davon ausgehen, dass es politisch nicht gewollt ist, an dieser Stelle Transparenz zu schaffen«, sagte sie am Dienstag gegenüber jW. Es bleibe dabei, die DGS müsse grundlegend reformiert werden. »Einspeichernde Behörden müssen betroffene Fans proaktiv informieren«, betonte die Sportpolitikerin wiederholt. Und Bundespolizeidirektionen die Information der Betroffenen freizustellen reiche nicht, »es braucht eine Informationspflicht, bundesweit«. Punkt. Bleiben die Parlamentarierinnen beim einstudierten Kombinationsspiel, müsste nun Lazars sportpolitische Kollegin Dassler weiter nachsetzen.

Autor:  Oliver Rast

[Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/402323.fanrechte-gutes-kombinationsspiel.html]