Im Zusammenhang mit dem Missbrauchs-Skandal am Olympiastützpunkt in Chemnitz werden nach einer Sitzung des Sportausschusses des Deutschen Bundestages die Forderungen nach einer unabhängigen Anlaufstelle immer lauter - und auch nach mehr Regionalität im Hochleistungssport.
Eine unabhängige Instanz und regionalere Strukturen - basierend auf diesen beiden Säulen muss der deutsche Sport die sich mehrenden Missbrauchsfälle bei zumeist minderjährigen Athletinnen aktiv bekämpfen und eindämmen. Darüber waren sich die Mitglieder des Sportausschusses des Deutschen Bundestages nach einer Sitzung, in deren Mittelpunkt der Chemnitzer Turnskandal stand, weitgehend einig.
"Eine vom Sport unabhängige, niedrigschwellige Anlaufstelle für von Gewalt und Missbrauch betroffene Athletinnen und Athleten, wie sie jüngst vom Athleten Deutschland e.V. gefordert wurde, ist dringend notwendig", sagte Grünen-Ausschussmitglied Monika Lazar nach der gut einstündigen Zusammenkunft.
Und bekam bei ihrer Forderung Rückenwind durch Kim Bui, Athletensprecherin des Deutschen Turner-Bundes (DTB). "Ich bin bezeichnenderweise nicht so erschüttert über die Vorfälle wie manch ein Außenstehender, weil sie leider Teil unserer Turnrealität sind", berichtete die 32-Jährige schonungslos offen. Die Vorgänge in Chemnitz, so die Stuttgarterin weiter, zeigten ein bewusstes Schaffen von emotionalen Abhängigkeiten. Mutige Aussagen, für die die zweimalige deutsche Mehrkampf-Meisterin ausdrücklich Anerkennung durch die Ausschuss-Vorsitzende Dagmar Freitag erntete.
Ängste nehmen
"Ich habe vor diesem Gremium selten eine so sachliche und doch auch emotionale Sachverständige erlebt. Sie hat den Zwiespalt so deutlich gemacht, in dem sich junge Menschen, die ja auch in ihrer Entwicklungsphase sind, befinden. Und welche Ängste sie begleiten", erklärte die SPD-Politikerin. Ängste, die offenkundig dazu führten, dass die Chemnitzer Athletinnen, die sich von der derzeit suspendierten Trainerin Gabi Frehse beleidigt, beschimpft und körperlich überfordert fühlten, sich teilweise erst Jahre später an die Öffentlichkeit wandten.
Aber eben nicht an bereits installierte Ombudspersonen oder die Aktivenvertreterin. Ausschussmitglied Andre Hahn (Die Linke): "Anscheinend reichen die bisherigen Strukturen nicht aus." Das hat man scheinbar auch beim DTB erkannt. "Wir müssen neue Konzepte auf die Straße bringen, die dann aber auch in der Halle gelebt werden", sagte DTB-Präsident Alfons Hölzl. Ganz konkret: Für die Kunstturnerinnen gibt es in Deutschland aktuell nur drei Bundesstützpunkte. Oft leben talentierte Athletinnen weit von ihren Eltern entfernt, regelmäßige Besuche am Wochenende sind da in vielen Fällen nur sporadisch möglich.
An einer Reform arbeitet der Verband und erhielt dafür Zustimmung aus dem Sportausschuss. Ganz ausdrücklich und persönlich von der FDP-Politikerin und zweifachen Mutter Britta Dassler: "Ich finde es richtig und wichtig, dass man darüber nachdenkt, die Anzahl der Stützpunkte zu vergrößern. Ich hätte mir dreimal überlegt, ob ich meine Jungs in so einem jungen Alter schon Hunderte von Kilometern weggebe."
[Quelle: https://www.n-tv.de/sport/Ringen-um-Umgang-mit-Missbrauchsopfern-article22386385.html]