Die E-Sport-Zerstörung der CDU. So drastisch titelte kürzlich das Nachrichtenmagazin "Games-Wirtschaft". Auch bei Twitter echauffierten sich Teile der Gaming-Szene über die Konservativen. Der Grund: ein vergangene Woche verabschiedetes Positionspapier der Unionsfraktion im Deutschen Bundestag. Es sieht nicht nur vor, dass Ehrenamtsgesetz anzupassen, sondern auch, die Abgabenordnung um einen Satz zu ergänzen, der weitreichende Konsequenzen für den E-Sport haben könnte. Unter 2.6 heißt es:
"E-Sports fällt unter den Begriff Sport, soweit es sich um elektronische Sportsimulationen handelt."
Ausschließlich elektronische Sportsimulationen als Sport definiert
E-Sport würde so – zumindest in der Abgabenordnung – mit anderen Sportarten gleichgestellt. Für Sportvereine mit E-Sport-Abteilungen wäre der Weg zur Gemeinnützigkeit damit frei. Denn Gemeinnützigkeit muss immer einem Zweck entsprechen. Sport ist einer davon. Nur: Der neue Handlungsrahmen für den E-Sport wäre stark begrenzt. Die Aufregung der Szene rührt daher, dass die Union ausschließlich elektronische Sportsimulationen als Sport definiert. Dabei machen Fußball-, Eishockey oder Basketballsimulationen nur einen Anteil von fünf bis zehn Prozent des E-Sports in Deutschland aus. Der Rest sind Echtzeit-Strategie – oder Shooterspiele, die mit der Formulierung aber nicht abgedeckt wären. Martin Müller, der Vizepräsident des E-Sport-Bundes Deutschland, ist mit dem Papier daher auch nicht vollends zufrieden:
"Wir freuen uns, dass sich jetzt damit beschäftigt wird. Aber es müsste eher eine ganzheitliche Lösung angestrebt werden. Hier droht sonst der Verlust der Gemeinnützigkeit für ganze Vereine."
Egal ob Sportsimulation oder Strategie-Spiel: Die kognitiven Fähigkeiten der Spieler und Spielerinnen werden grundsätzlich ähnlich gefordert. Doch nur, wenn aus dem Alltag bekannter Sport auf den Bildschirmen zu sehen ist, soll es sich auch um Sport handeln? Für Müller ist das nicht nachvollziehbar.
Groß ist die Verärgerung auch deswegen, weil SPD, CDU und CSU im Koalitionsvertrag offensiv angekündigt hatten, E-Sport künftig vollständig als eigene Sportart mit Vereins- und Verbandsrecht anzuerkennen. Dies scheint mittlerweile in so weite Ferne gerückt, dass Christdemokrat Johannes Steiniger, der für die CDU im Sportausschuss sitzt, das Positionspapier als klaren Fortschritt deutet – auch wenn er sich persönlich hätte mehr vorstellen können:
"Ich kann die Aufregung der Szene verstehen. Aber am Schluss geht es um die Frage: Für was bekommt man eine Mehrheit in der Fraktion. Ich finde, das ist ein Erfolg, dass E-Sport in einem Antrag der Unionsfraktion vorkommt. Von daher ist das ein erster Schritt, der besser ist, als wenn nichts drinstünde."
DOSB lehnt eine Aufnahme des E-Sports bisher ab
Schon seit Jahren ringen E-Sport-Branche und Politik um die Frage, ob E-Sport Sport ist – und damit potenziell gemeinnützig. Der DOSB lehnt eine Aufnahme des E-Sports in den organisierten Sport bislang strikt ab, der zuständige Sportminister Horst Seehofer zeigt ebenfalls wenig Interesse. Auch in den einzelnen Bundestagsfraktionen herrscht Uneinigkeit unter Sport- und Digitalpolitiker und -politikerinnen, jüngeren und älteren Abgeordneten. Viele der Kritiker und Kritikerinnen wollen in Computerspielen keinen klassischen Sport erkennen, verweisen auf Suchtgefahren, Gewaltverherrlichung oder die profitorientierte Computerspiele-Industrie. Zwar steht hinter jedem E-Sport-Titel ein Unternehmen, doch es scheint, als sei die Begrenzung auf elektronische Sportsimulationen – zumindest in der Unionsfraktion – die einzig mögliche Kompromissformel.
Ob der Entzug der Gemeinnützigkeit überhaupt drohen würde, ist allerdings fraglich. Denn bereits jetzt dürfen E-Sport-Angebote zu den anderen Sportangeboten eines Vereins als Nebenzweck hinzutreten. Dieser gilt dann als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb, für den ein gemeinnütziger Verein zwar die Steuervergünstigungen verliert, nicht jedoch den Status der Gemeinnützigkeit im Ganzen.
Von dieser Regelung macht derzeit zum Beispiel Alemannia Aachen Gebrauch, das dadurch im Verein das Spielen von Fußballsimulationen anbieten kann. Gregor Forst ist Leiter der E-Sport-Abteilung in Aachen und erklärt, was die Begrenzung auf Sportsimulationen jedoch für seinen Verein bedeutet:
"Wir bekommen endlich die Gleichstellung mit allen anderen Abteilungen im Verein. Es wird jedoch verhindern, dass wir unser soziales Engagement auch im Bereich der Nicht-Sportspiele anwenden können. Das ist sehr frustrierend und von der Politik nicht zu Ende gedacht."
Klingbeil (SPD) mit Formulierung des Koalitionspartners nicht zufrieden
Mit den vielen Ehrenamtlichen, die beispielsweise als Trainer junge Gamer betreuen und in Vereinsstrukturen integrieren, argumentiert auch der E-Sport-Bund Deutschland. Und auch Lars Klingbeil, dem SPD-Generalsekretär, der mit der Formulierung des Koalitionspartners nicht zufrieden ist:
"Ich habe immer gesagt, dass man das unterteilt, halte ich für den falschen Weg. Der ganze E-Sport-Bereich muss in die Gemeinnützigkeit aufgenommen werden. Es muss doch ein Interesse von Politik sein, dass die jungen Menschen nicht zu Hause sitzen und spielen, sondern dass sie in die Vereine reingehen und lernen sich in Gruppen zu verhalten."
Klingbeil sagt aber auch: Auch bei ihm in der Fraktion fremdeln besonders ältere Kollegen und Kolleginnen mit dem E-Sport. Der Widerstand in der Großen Koalition sorgt in Teilen der Opposition für Verstimmung. Monika Lazar zum Beispiel, die sportpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Bundestag, kann dem Positionspapier nichts abgewinnen:
"Ob man am Computer oder an der Konsole virtuelle Fußballspiele oder andere Fantasie-Figuren steuert, sollte für die Gemeinnützigkeit meiner Meinung nach keine Rolle spielen. Der Vorschlag ist nicht ausreichend. Wir wollen den Trend des E-Sports aktiv gestalten und deshalb wollen wir als Politik die Rahmenbedingungen setzen."
Britta Dassler (FDP) kritisiert die Union
Mit der Abkehr vom Koalitionsvertrag mache sich die Union unglaubwürdig, kritisiert auch Britta Dassler, die sportpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Bundestag. Sie plädiert dafür, den E-Sport als klassischen Sport anzuerkennen. Auch Jörn König, der sportpolitische Sprecher der AfD-Fraktion, spricht sich dafür aus, den E-Sport in der Abgabenordnung – analog zum Schach – mit dem klassischen Sport gleichzustellen. Und bei der Links-Fraktion wirbt zumindest Petra Sitte, Mitglied im Ausschuss für Digitale Agenda und zugleich stellvertretendes Mitglied im Sportausschuss, regelmäßig für eine Gleichstellung von E-Sport mit dem Sport – und für einen Dialog auf Augenhöhe.
Autor: Mathias von Lieben