Für die Umsetzung des Konzepts seien "zuallererst die Vereine der Bundesliga und 2. Bundesliga und ihre Hygienebeauftragten (durch den Verein eingesetzter Mediziner) in der Verantwortung", schreibt die Bundesregierung in einer Antwort auf eine zweite Anfrage der Bundestagsabgeordneten Monika Lazar. "Aus diesem Grund stehen auch die Vereine an der ersten Stelle, entsprechende Sanktionen bei Verstößen anzuwenden und durchzusetzen." Die Grünenpolitikerin hatte bei einem ersten Versuch keine konkrete Antwort zu der Frage erhalten, wer die Klubs bei Verstößen gegen das Konzept sanktioniert. Nun macht die Regierung deutlich: Das soll die DFL selbst tun.
"Der Profifußball kontrolliert sich also selbst. Ich bleibe bei meiner Forderung, dass die Einhaltung des DFL-Konzepts von unabhängigen Stellen kontrolliert werden muss, um Interessenkonflikte zu vermeiden", sagt Lazar auf Anfrage der Sportschau. Lazar arbeitet im Sportausschuss des Deutschen Bundestages und ist sportpolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Parlament.
Nur örtliche Behörden können aktiv werden
Die Bundesregierung verweist in ihrer zweiten Antwort an Lazar darauf, dass die zuständigen Behörden Maßnahmen ergreifen können. Damit sind die örtlichen Gesundheitsämter und die Arbeitsschutzverwaltungen der Bundesländer gemeint. Gesundheitsämter müssen bei positiven Tests aktiv werden und möglicherweise eine Quarantäne der Kontaktpersonen anordnen. Außerdem haben die Ämter an vielen Standorten die Umsetzung des Konzepts mit den Klubs geplant und abgesegnet.
Doch die Behörden können vielerorts allein von der personellen Kapazität her keine laufende Kontrolle des Profifußballs übernehmen. Sie müssen beispielsweise auch Kindergärten, Flüchtlingsunterkünfte oder andere Einrichtungen überwachen.
Sportgerichtsbarkeit außen vor
Verstöße und genehmigte Ausnahmen gab es im Profifußball einige: Mehrere Spieler von Hertha BSC klatschten sich in einem Video des Spielers Salomon Kalou miteinander ab, Trainer Heiko Herrlich unterbrach die Augsburger Quarantäne für den Kauf von Zahnpasta und Borussia Mönchengladbach unterschritt mit Genehmigungen von DFL und Gesundheitsamt die im Konzept vorgeschriebene Quarantäne. Ein medizinischer Mitarbeiter nahm zudem bei einem Test, der in Kalous Video zu sehen war, einen falschen Abstrich vor. Konsequenzen hatte keiner dieser Vorgänge.
Das medizinisch-organisatorische Konzept sowie das 'Informationshandbuch Diagnostik und Monitoring sind nach einem Beschluss der DFL-Vollversammlung vom 14. Mai nun zwar Teil der Spielordnung. Nicht definiert ist dort aber, was genau Verstöße sind, wer über sie entscheidet und was die Konsequenzen sein könnten. Der DFB-Kontrollausschuss und das DFB-Sportgericht könnten nur bei genaueren Formulierungen in dieser Hinsicht aktiv werden, und das auch nur bei Verstößen an einem Spieltag. Zum Vergleich: Das Gericht urteilt bei Tätlichkeiten aus den Spielen und nicht bei Vorfällen im Trainingsbetrieb.
DFL nimmt Kritik wahr
Aus Kreisen des Präsidiums der Deutschen Fußball Liga erfuhr die Sportschau, dass die Kritik an vielen Punkten des Konzepts durchaus wahrgenommen wird. Dazu gehört vor allem, dass die Klubs die Coronatests in großen Teilen selbst vornehmen und somit die Möglichkeit einer Manipulation zumindest denkbar ist. Beim Doping testen sich die Vereine schließlich auch nicht selbst.
Allerdings sei das Konzept unter Zeitdruck entstanden und beim Ruf nach unabhängiger Kontrolle stelle sich die Frage, wer diese leisten könne. Offen bleibt jedoch, ob und wie die DFL ihre Klubs in der restlichen Zeit des Sonderspielbetriebs bei Verstößen gegen das Konzept sanktioniert.
Lazar: "Politische Konsequenzen bleiben unklar"
Für Monika Lazar bleibt genau das nicht zufriedenstellend. "Welche politischen Konsequenzen Verstöße gegen das Konzept hätten, lässt die Bundesregierung erneut unbeantwortet", sagt sie. Das ausdrückliche Befolgen des Konzepts war die Grundlage für die Klubs, den Spielbetrieb wieder aufzunehmen. Nur unter dieser Maßgabe gaben mehrere Bundesministerien, die Bundesländer und die Bundesregierung ihre Zustimmung - dann kamen Kalou und Herrlich.
"Das darf kein Freifahrtschein sein", sagt Lazar. "Wer im Zweifelsfall die auch von Markus Söder geforderte Rote Karte zeigen kann, bleibt weiterhin völlig offen." Lazar bezog sich auf eine Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten Söder, der bei einer Nichteinhaltung des Konzepts von einer "Roten Karte" für die DFL gesprochen hatte.
DFL-Konzept erhält weitgehend Lob
Bislang ist die DFL von der "Roten Karte" allerdings weit entfernt. Das Konzept ging an den ersten Spieltagen ohne Zuschauer auf, es gibt weitgehend Lob für den bisherigen Ablauf der Saisonfortsetzung. Auch im Ausland gilt der Sonderspielbetrieb der Bundesliga als Vorbild, abgesehen von Frankreich wollen in den kommenden Wochen alle großen Ligen nachziehen und die Saison zu Ende spielen. "In Summe betrachtet, war das in Ordnung, es geht jetzt darum, die Disziplin aufrechtzuerhalten", sagte DFL-Chef Christian Seifert in der "FAZ".
Und so nimmt eine andere Debatte Fahrt auf: Abgeordnete aus den Bundestagsfraktionen der SPD und der FDP fordern nun, dass Spiele auch wieder mit Zuschauern möglich sein sollten. Der SPD-Vorsitzende aus Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, sagte dem ARD-Hauptstadtstudio: "Nach den ersten Erfahrungen der Spieltage ohne Zuschauer in der ersten und zweiten Bundesliga brauchen wir eine offene Debatte und schonungslose Analyse. Egal ob Profi- oder lokaler Vereinssport - ohne Zuschauer sind Fußball und andere Mannschaftssportarten nicht dasselbe." Über die Sommerpause solle die DFL mit den Vereinen ein Konzept entwickeln, um die Stadien spätestens zur neuen Saison reguliert öffnen zu können.
Autoren: Chaled Nahar, Marcus Bark