Neustart nach Corona-Pause: Anpfiff für die Bundesliga am 15. Mai

Pressebericht, faz.net, 06.05.2020

Die Saison der Fußball-Bundesligen kann mit Geisterspielen doch noch zu einem glimpflichen Ende gebracht werden. Am 15. Mai soll es losgehen – auch wenn über den Termin des Starts ein Streit entbrennt.

Falls es jemand vergessen haben sollte: Am Samstag der kommenden Woche wäre die 57. Spielzeit der Fußball-Bundesliga zu Ende gegangen. Ein Satz im Irrealis. Aber dennoch eine Wirklichkeitsform, die auch im Fußball längst zur neuen Corona-Realität geworden ist. Denn was eigentlich das Ende hätte sein sollen, wird nun, offiziell und mit dem Segen der Bundeskanzlerin und der sechzehn Ministerpräsidenten, zu einem neuen Anfang für den Profifußball: Nach einstimmigem Beschluss darf die Fußball-Bundesliga dort weitermachen, wo sie vor über zwei Monaten, am 8. März, mit dem 25. Spieltag aufgehört hat.

Oder, wie es Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch auf der Pressekonferenz nach den politischen Beratungen ganz nüchtern ausdrückte: "Der Spielbetrieb wird unter den genehmigten Regeln erlaubt." Noch am Abend kündigte die Deutsche Fußball Liga (DFL) an, dass der Ball schnellstmöglich wieder rollen soll – am 15. Mai, dem Wochenende also, an dem vor der Corona-Unterbrechung das Saisonfinale vorgesehen gewesen war. Darüber informierte das DFL-Präsidium die 36 Profiklubs, die sich an diesem Donnerstag zu einer außerordentlichen Mitgliederversammlung zusammenschalten.

Die Politik hatte ihre Freigabe für einen Start in der zweiten Mai-Hälfte erteilt, die Entscheidung über den konkreten Termin aber dem Fußball selbst und damit der DFL überlassen – auch, weil es darüber in der Runde mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten zu Differenzen gekommen war. Zwar schien die Präferenz insgesamt klar bei dem schon ursprünglich von der DFL avisierten frühen Termin zu liegen. Einzelne Länder vertraten jedoch offenbar die Interessen "ihrer" Klubs, die aus Gründen der Wettbewerbsgerechtigkeit lieber eine Woche später gestartet wären. So wurden schon kurz nach der wegweisenden Entscheidung Partikularpositionen diskutiert, ehe das DFL-Präsidium die Linie vorgab. Für Gesprächsstoff an diesem Donnerstag ist gesorgt.

Die Freude und Erleichterung im deutschen Profifußball über das Votum an sich konnte das alles nicht schmälern. "Die Entscheidung ist eine gute Nachricht für die Bundesliga und die Zweite Bundesliga", sagte DFL-Geschäftsführer Christian Seifert. "Sie ist verbunden mit einer großen Verantwortung für die Klubs und ihre Angestellten, die medizinischen und organisatorischen Vorgaben diszipliniert umzusetzen." Karl-Heinz Rummenigge, der Vorstandschef des FC Bayern, sprach von einem "Glückstag für den Fußball", Hans-Joachim Watzke, der Geschäftsführer von Borussia Dortmund, von einem "Gefühl der Dankbarkeit". Fritz Keller, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, nannte die Entscheidung einen "Vertrauensbeweis der Gesundheitsbehörden und der Politik, für den wir dankbar sind". Dieser erste Schritt mache Hoffnung, so Keller, "dass der Fußball sukzessive wieder in den Alltag der Menschen zurückkehrt".

Für der bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder war es eine "vernünftige Einigung" in der Fußballfrage. "Wir wissen auch, dass das sehr kontrovers ist. Aber ich halte den Kompromiss für mehr als vertretbar. Ich kann aber nur an eines appellieren: Ich weiß, dass die Verantwortlichen in den Bundesliga-Vereinen alles tun werden, um Sicherheit zu erreichen. Aber es sollten die Spieler, die sich fehlverhalten, auch mit Konsequenzen rechnen müssen." Das Verhalten eines Spielers von Hertha BSC in dieser Woche sei ein "schweres Eigentor" mit Blick auf das Bemühen der Klubs gewesen, die Hygieneregeln einzuhalten, so Söder. Der Ministerpräsident spielte auf das Live-Video von Salomon Kalou an, auf dem zahlreiche Verstöße gegen die von der Liga selbsterstellten Richtlinien zu sehen waren. "Es haben sich nicht nur normale Menschen an Hygienemaßnahmen zu halten, sondern auch diejenigen, die sehr viel verdienen und ein Privileg haben."

Kritik an der Entscheidung

Am grundsätzlichen Einverständnis der Politik, den Profifußball in Deutschland wieder zuzulassen, hatte Gesundheitsminister Jens Spahn schon am Mittwochvormittag wenig Zweifel zulassen wollen. "Wichtig ist, dem Profisport insgesamt eine Perspektive zu geben", sagte Spahn im ZDF. "Es gibt sehr gut ausgearbeitete Konzepte, wenn die gelebt und umgesetzt werden, kann man mit einem solchen Kontaktsport wieder starten."

Doch die Kritik an der Entscheidung, dem Profifußball grünes Licht zu geben, ließ nicht lange auf sich warten. "Zum einen ist nicht nachvollziehbar, wieso dem Profifußball eine 'Extra-Stadionwurst' zugesprochen wird: Während besonders exponierte Berufsgruppen wie etwa Pflegerinnen und Pfleger in Pflegeheimen immer noch nicht ausreichend auf Covid-19 getestet werden, wird genau dies nun bei Profifußballern praktiziert", hieß es in einer Erklärung von Monika Lazar, Sprecherin der Grünen für Sportpolitik. "Die Vorfälle bei Hertha BSC zeigen außerdem, dass das Konzept in der Praxis teilweise nicht umgesetzt wird."

Der Berliner Klub muss sich wegen der Vorfälle nun auch auf unangemeldete Kontrollen beim Training einstellen, wie die Senatsverwaltung für Inneres und Sport nach Absprache mit dem Gesundheitsamt ankündigte. Das Verhalten der Profis, das auf dem Video zu sehen war, verstoße "ganz klar gegen die von uns erteilte Ausnahmegenehmigung" für das Training in Kleingruppen.

Wie groß die Differenzen am Mittwoch in der Runde mit der Kanzlerin und den Ministerpräsidenten bezüglich des konkreten Starttermins waren, machte Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte deutlich. "Wir haben uns ordentlich in die Wolle gekriegt", sagte er. Der SPD-Politiker vertrat die Auffassung, dass aufgrund bisher unterschiedlicher Trainingsmöglichkeiten keine Wettbewerbsgerechtigkeit herrsche, wenn schon am 15./16. Mai wieder gespielt werde – eine Position die neben Werder Bremen auch der FSV Mainz vertritt.

Andere Klubs wiesen das zurück. Unterschiedliche Interpretationen gab es offenbar auch über die dem Start vorgeschaltete Quarantäne-Regelungen für die Mannschaften. Von einer Quarantänedauer von zwei Wochen, etwa in Form eines Trainingslagers, wie zunächst ins Auge gefasst worden war, ist nun jedenfalls nicht mehr die Rede. Die Quarantäne könne auch kürzer ausfallen, sagte Söder unter Berufung auf Gesundheitsminister Spahn.

Die Fußballprofis sollen bei ihren Klubs in der Phase vor den Spielen zwar weitgehend abgeschottet sein, aber nun nicht in vollständiger Quarantäne. "Dass dort regelmäßig getestet wird, ist natürlich eine andere Situation, als wenn jemand nur einmal am Anfang und am Ende der Quarantäne getestet wird. Das ist der Hintergrund", sagte Merkel auf der Pressekonferenz zur Erklärung. Auch bei Kontaktpersonen von positiven Corona-Fällen kann die Quarantäne bei Fußballprofis wegen der Dauertestung nun kürzer ausfallen. Die Entscheidung liegt hier bei den örtlichen Gesundheitsbehörden.

Eine "Taskforce" unter der Leitung von Nationalmannschaftsarzt Tim Meyer hatte ein entsprechendes Sicherheits- und Hygienekonzept erstellt. Dazu gehören engmaschige und regelmäßige Testungen der Spieler, die in der Vorwoche begonnen haben. Zwei negative Tests sind Voraussetzung, um in den Trainingsbetrieb zurückkehren zu können. Zudem sollen auch Kontaktpersonen der Profis freiwillig in größeren zeitlichen Abständen getestet werden. Die Politik hat demnach auch die DFL-Planung grundsätzlich akzeptiert, wonach nicht automatisch die gesamte Mannschaft in Quarantäne muss, wenn ein Spieler positiv auf das Coronavirus getestet wird. Aufgrund der Maßnahmen könnten Spieler und Betreuer in die Kategorie II (geringeres Infektionsrisiko) eingeordnet werden. Darüber entscheiden die lokalen Gesundheitsämter.

Nach dem politischen Startschuss könnte diese Saison also mit Geisterspielen bis Ende Juni doch noch zu einem womöglich glimpflichen Ende gebracht werden – aber nur dann, wenn sich das Hygiene- und Sicherheitskonzept der Liga tatsächlich als tragfähig erweisen sollte. Mit dem Ende des sportlichen Stillstands wächst bei der DFL zudem die Hoffnung, dass auch diejenigen Klubs, die bei einem Saisonabbruch in ihrer Existenz bedroht wären, die Krise nun mit einem blauen Auge überstehen könnten. Den beiden Profiligen hatten Einnahmeverluste von insgesamt rund 750 Millionen Euro gedroht.

Als erfreulich und wegweisend wird im deutschen Fußball die Tatsache bewertet, dass die Bundesliga als erste europäischen Topliga in den Spielbetrieb zurückkehrt und damit in den Fokus auch des internationalen Interesses rückt. Die Saisonfortsetzungen in der englischen Premier League, der spanischen La Liga und der italienischen Serie A sind derzeit noch nicht absehbar. Die französische Liga musste ihre Saison schon abbrechen. Die Bundesliga muss noch neun Spieltage absolvieren.

Autor: Michael Horeni

[Quelle: https://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/corona-fussball-bundesliga-soll-laut-dfl-am-15-mai-starten-16757893.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2]