Pyrotechnik in deutschen Stadien: Innenminister beraten über Freiheitsstrafen

Pressebericht, Spiegel Online, 24.11.2018

Hessens Innenminister Peter Beuth fordert Freiheitsstrafen für das Abbrennen von Pyrotechnik in deutschen Stadien. Wie effektiv dagegen ein liberaler Umgang sein kann, zeigt der Blick nach Österreich. - Monika Lazar: "In der Pyrotechnikdebatte bringen uns populistische Law-and-Order-Forderungen wie 'Knast für Zündler' nicht weiter."

Wenn am Wochenende die 16 Landesminister zur Innenministerkonferenz zusammentreffen, dürften sich die Augen vieler Fußballfans auf den Vertreter aus Hessen richten. Peter Beuth (CDU) will in Magdeburg seine Kollegen davon überzeugen, das Strafmaß beim Thema Pyrotechnik erheblich zu erhöhen.

"Wer im Stadion zündelt, geht in den Knast", fordert Beuth.

Damit künftig auch "Haftstrafen von mindestens einem Jahr" möglich sind, will er eine Änderung des Sprengstoffgesetzes herbeiführen. "Wenn die Vereine nicht in der Lage sind, ihre Stadien frei von Pyrotechnik zu halten, muss eben der Staat Konsequenzen ziehen", sagt Beuth.

PR-Show in Dortmund


Bilder wie beim Spiel von Borussia Dortmund gegen Hertha BSC dürfte es also künftig häufiger geben, wenn Beuth sich mit seinen Plänen durchsetzt. Denn ihm schwebt vor, dass die Polizei künftig immer einschreitet, wenn Pyrotechnik gezündet wird. Ende Oktober kam es in Dortmund zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, als Polizisten ein Transparent konfiszierten. Fan-Sozialarbeiter hatten den Einsatz als PR-Show der nordrhein-westfälischen Innenpolitik bezeichnet, die genau diese Bilder habe provozieren wollen, um Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.

Dortmunds Polizeisprecher Gregor Lange hatte im Nachhinein tatsächlich zu erkennen gegeben, dass der Einsatz vor ein paar Jahren in dieser Form nicht stattgefunden hätte. "Es gab vonseiten der Randalierer kein Interesse am Spiel und keinerlei Rücksicht. Wir mussten zu der Prognose kommen, dass hinter dem Schutz einer solchen Fahne die Vorbereitungen weiterer Straftaten zu befürchten sind", sagte Lange. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) habe nun aber eine Null-Toleranz-Strategie vorgegeben.

Sein hessischer Parteifreund Beuth scheint diese nun zur bundesweiten Direktive machen zu wollen - wobei seine Forderungen weit über alles hinausgehen, was selbst Hardliner bislang gefordert haben. Dabei sei der Anlass Pyrotechnik vergleichsweise nichtig, wie die Juristin Waltraut Verleih in der "Frankfurter Rundschau" betont. "Ein bengalisches Feuer, das in der Hand bleibt, ist genauso wenig ein 'lebensgefährliches' Wurfgeschoss wie das scharfe Küchenmesser, das die Gurke schält, ein 'lebensgefährliches' Werkzeug ist." Laut Michael Gabriel, Leiter der Koordinierungsstelle der Fanprojekte, vertiefen Beuths Vorschläge die Gräben.

Der Dialog zwischen Fans und Vereinen verspreche bessere Lösungen. Aufschlussreich findet Gabriel die Erfahrungen aus Norwegen und Österreich, wo Pyrotechnik dank Ausnahmeregelungen legal ist. "Die Rückmeldung aus den österreichischen Vereinen ist überwiegend positiv. Bei Rapid Wien sind wilde Pyro-Aktionen um 90 Prozent zurückgegangen." Für ihn ist es schwer verständlich, dass in Salzburg Pyros legal sind und 50 Kilometer nördlich, in Burghausen, bald mit über einem Jahr Gefängnis bestraft werden könnten: "Ich vertraue da auf den Rechtsstaat, vermisse aber liberale Stimmen, die hier Einspruch erheben".

In Hessen fehlen solche Stimmen, beispielsweise von den Grünen, die derzeit in Wiesbaden über eine Fortsetzung der Koalition mit der CDU verhandeln. Sie haben sich bislang nicht zu Beuths Plänen geäußert.

Dafür wird Monika Lazar, die sportpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, deutlich: "Schon bisher können Sicherheitsbehörden im ausreichenden Maße gegen Pyro-Delikte vorgehen", sagt Lazar, die "in den letzten Jahren einen besorgniserregenden Trend zum Austesten neuer repressiver Maßnahmen an Fußballfans" beobachtet hat. "Das geht von regelmäßigen Forderungen von Strafverschärfungen über intransparente Datensammlungen bis hin zu Kollektivstrafen wie Betretungsverboten." Für sie steht fest: "In der Pyrotechnikdebatte bringen uns populistische Law-and-Order-Forderungen wie 'Knast für Zündler' nicht weiter."


Beuth befürchtet chaotische Jagdszenen auf Autobahnen

Gegenüber dem SPIEGEL verteidigt Beuth seine Pläne. Er sagt: "Die drohende Haft entfaltet aus kriminologischer Sicht sowohl eine general- wie auch spezialpräventive Wirkung. Da Straftaten - anders als Ordnungswidrigkeiten - von Gesetzes wegen durch die Polizei zu verfolgen sind, würde sich ein weiterer Effekt der Strafverschärfung auch in einer strikteren Erfassung und Verfolgung von Verstößen gegen das Abbrennen von Pyrotechnik zeigen."

Beuth möchte in Magdeburg auch beschließen lassen, dass separat anreisende Fangruppen für die Kosten von Polizeieinsätzen selbst aufkommen. Er sei "nicht bereit zu akzeptieren, dass die Polizei diese Problembusse mit großem Aufwand begleitet, damit es auf unseren Autobahnen nicht zu chaotischen Jagdszenen oder auf Rastanlagen zu Massenschlägereien kommt, und am Ende der Steuerzahler dafür bezahlt".

Auf Nachfrage des SPIEGEL konkretisiert Beuth seine Pläne. "Dort, wo sich die Gewaltneigung dieser Problemfans bereits bei der Anreise belegen lässt, beispielsweise durch das Mitführen von Schlaggegenständen oder von Pyrotechnik, sollen sie fortan für die notwendige Begleitung durch die Polizei aufkommen."

Die Frage, ob 50 Insassen eines Busses die Kosten eines Polizeieinsatzes tragen sollen, wenn einer von ihnen an der Tankstelle etwas klaut, ließ der Minister unbeantwortet.

Autor: Christoph Ruf


[Quelle: www.spiegel.de]