Sportpolitik: Etwas zu gute Bekannte

Pressebericht, Süddeutsche Zeitung, 22.11.2018

Der lange für den Sport zuständige Politiker Thomas de Maizière soll Chefethiker beim Deutschen Olympischen Sportbund werden. Der Plan stößt auf viel Kritik.

In den vergangenen Jahren war Thomas de Maizière oft zu Gast bei den Mitgliederversammlungen des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Das war sehr naheliegend, schließlich war er in seiner Zeit als Innenminister auch für den Sport zuständig. Seit März ist der CDU-Politiker sein Ministeramt nun los und nur noch Mitglied des Bundestags. Zum DOSB-Konvent in Düsseldorf am 1. Dezember kommt er trotzdem - weil er einen neuen Posten im deutschen Sport übernehmen soll: De Maizière, 64, ist als Chef der neuen DOSB-Ethikkommission vorgesehen.

Dieser Plan stößt auf viel Kritik. Als Sportminister waren de Maizières Kontakte zur DOSB-Spitze um den Präsidenten Alfons Hörmann in den zurückliegenden Jahren ja eng. Nicht zuletzt bei der Debatte um die Reform des Leistungssportsystems und die Höhe des Sportetats spielte das eine Rolle. Das Innenministerium ist der größte Geldgeber des Sports (aktuell circa 190 Millionen Euro). Als wahrhaft externe Besetzung, die es bei solchen Ethikgremien normalerweise geben sollte, kann der Politiker demzufolge kaum gelten.

"Thomas de Maizière kennt den DOSB gut, für meinen Geschmack aber etwas zu gut", sagt Monika Lazar, sportpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, der SZ: "Ich würde mir einen Vorsitzenden der Ethikkommission wünschen, der genauso fachlich geeignet ist wie de Maizière, aber deutlich mehr persönliche Distanz zur DOSB-Führung hat. Es wäre dem DOSB zu empfehlen, die Personalie noch einmal zu überdenken." Auch André Hahn (Die Linke) hat Zweifel ob des Verhältnisses zwischen de Maizière und Hörmann. "Es fehlt mir die Distanz zwischen den Personen", sagt er: "Man bräuchte eine wirklich unabhängige Persönlichkeit und sollte schon den Anschein vermeiden, dass es zu viel Nähe gibt. So kann das auch die Ethikkommission beschädigen."

De Maizière verteidigt das Konzept der neuen Ethik-Kammer

De Maizière selbst will sich zu solcher Kritik nicht äußern. Für den DOSB ist der ehemalige Minister "eine mit der Materie in einem hohen Maß vertraute, zugleich aber in der notwendigen Distanz und Professionalität agierende Autoritätsperson. Deshalb sehen wir keinerlei Gefahr der zu großen Nähe in dieser Nominierung."

Bisher gab es beim DOSB keine Ethikstelle, sondern in Person des Unternehmers Jürgen Thumann nur einen Good-Governance-Beauftragten. Dieser trat jedoch so gut wie nie in Erscheinung - und geriet in die Kritik, als es um seinen Umgang mit internen Vorwürfen gegen den früheren DOSB-Vorstandschef Michael Vesper ging. Nun ist ein dreiköpfiges Gremium geplant, dem neben de Maizière noch Hansjörg Geiger (bisher Leiter der DOSB-Stasi-Kommission) und die Ex-Biathletin Kati Wilhelm angehören sollen.

Neben der konkreten Personalie de Maizière ist auch das Konzept für die neue Kommission strittig. Sollte sie bei ihren Untersuchungen einen Verstoß feststellen, kann sie nur eine Empfehlung abgeben - anders als die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes (Fifa), die in eine ermittelnde und eine rechtsprechende Kammer aufgeteilt ist. Dort mag die aktuelle Besetzung der Kommissionsspitze durch ihr teils lammfrommes Agieren gerade viel Kritik hervorrufen - gemäß der Statuten aber entscheidet sie über eine Sanktion.

Beim DOSB erfolgt nur eine "Empfehlung an das gemäß den Good-Governance-Regularien zuständige Gremium". Sollte die Ethikkammer zum Beispiel ein Fehlverhalten von DOSB-Präsident Hörmann konstatieren, entscheidet das Präsidium über eine etwaige Sanktion. Compliance-Experten bewerten das als schwierig. De Maizière verteidigt das: "Der Einfluss der Ethikkommission beruht gerade auf der Unabhängigkeit und darauf, dass sie nicht eingebunden ist in irgendwelche Befugnisstrukturen." Der DOSB teilt mit, er habe "nach umfangreicher juristischer und fachlicher Prüfung dazu eine andere Rechtsauffassung" und lege Wert auf die Trennung von Ermittlung und Sanktionierung.

Formal gibt es noch eine Hürde, damit de Maizière das Amt übernehmen kann. Ausscheidende Minister brauchen die Genehmigung der Bundesregierung, wenn sie zeitnah neue Funktionen übernehmen wollen. Das Gesetz wurde vor dem Hintergrund lukrativer Jobs in der Wirtschaft eingeführt, gilt aber auch für Ehrenämter wie das in der DOSB-Ethikkommisson. Das Kabinett wiederum orientiert sich an dem Votum eines dreiköpfigen Gremiums, das prüft, ob eine Karenzzeit zwischen Ministeramt und neuer Funktion notwendig ist. Dazu zählen die früheren Spitzenpolitiker Theo Waigel (CSU) und Krista Sager (Grüne) sowie der ehemalige Bundesverfassungsrichter Michael Gerhardt.

Sager bestätigt, dass das Trio derzeit de Maizières angepeilte Ethik-Berufung prüfe. Sie konnte jedoch nicht sagen, dass der Vorgang in jedem Fall bis zum DOSB-Konvent erledigt sei.

Autor: Johannes Aumüller

[Quelle: www.sueddeutsche.de]