Zwei Leipziger Bundestagsabgeordnete treten im September nicht wieder zur Wahl in den Bundestag an. Eine von ihnen ist Monika Lazar, die für Bündnis 90 / Die Grünen seit 2004 im Bundestag aktiv war. Zum Abschied wollten wir doch schon gern wissen, was so bleibt nach der Zeit im Parlament.
Seit 2004 waren Sie jetzt Mitglied im Bundestag. Fällt Ihnen der Abschied schwer? Oder sind sie erleichtert, dass jetzt eine Last von Ihnen genommen ist?
Es war meine eigene Entscheidung nach 16 Jahren nicht erneut für den Bundestag zu kandidieren. 16 Jahre in der Politik sind eine lange Zeit, Politik ist auch immer eine Tätigkeit auf Zeit, Perspektivwechsel sind wichtig und für mich war jetzt der richtige Zeitpunkt, um mich aus dem Bundestag zu verabschieden. Der Abschied fällt nicht ganz leicht, weil man hat in den Jahren viel erlebt. Aber ich empfinde auch Erleichterung und werde es genießen, nicht mehr so viele eng getaktete Termine zu haben und endlich auch zu Dingen zu kommen, die in den letzten Jahren zu kurz gekommen sind, wie Bücher lesen oder mehr ins Kino und Theater zu gehen.
Wie sehen Ihre weiteren Pläne aus? Haben Sie schon ein neues Lebensprojekt für sich gefunden?
Nein. Aber da ich seit einem reichlichen Jahr Stadträtin in Leipzig bin, bleibe ich auf alle Fälle kommunalpolitisch aktiv.
Welches war der wesentliche Grund für Sie, auf eine weitere Kandidatur zu verzichten?
16 Jahre Bundestag ist eine lange Zeit, neben vielen schönen Ereignissen gab es auch Stress, Zeitdruck, Ärger, sodass ich mich bewusst entschieden habe, nicht erneut zu kandidieren, denn Politik lebt auch vom Wechsel und sollte immer auf Zeit ausgeübt werden.
Haben Sie das Gefühl, in diesen 17 Jahren wenigstens einige Ihrer Ziele in der politischen Arbeit erreicht zu haben? Und wenn ja, welche? Worauf sind Sie besonders stolz?
Seit ich im Bundestag bin, habe ich mich um das Thema Rechtsextremismus gekümmert. Da lässt sich feststellen, dass das Engagement gegen Rechtsextremismus in der Gesellschaft anerkannter ist und leichter unterstützt wird als vor 16 Jahren.
In der eigenen Bundestagsfraktion habe ich mich darum gekümmert, dass wir zu den verschiedenen Ostrentengruppen eine differenzierte Meinung und Abstimmungsverhalten einnehmen.
Dazu habe ich auch kürzlich in einer Rede im Bundestag etwas gesagt. Und besonders habe ich mich gefreut, als wir im Juni 2017 im Bundestag eine Mehrheit bei der Abstimmung zur „Ehe für alle“ über Koalitions-Oppositions-Grenzen hinweg erreicht haben.
Und was fanden Sie besonders zäh und frustrierend? Wo hatten Sie sogar das Gefühl, dass Sie und ihre Partei eine schmerzliche Niederlage, einen schmerzlichen Rückschlag erleben mussten?
Enttäuscht bin ich, dass es die Koalition nicht geschafft hat, endlich ein Demokratiefördergesetz zu verabschieden, damit zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, endlich eine verlässliche Finanzierung erhalten. Und ich würde mir künftig wünschen, dass das starre Koalitions-Oppositions-Verhalten etwas aufgeweicht wird. Bisher ist das leider nur sehr selten bei ethischen Fragen der Fall. Hier wünsche ich mir, dass die Koalitionsfraktionen offener mit guten Vorschlägen der Opposition umgehen.
Wie gut empfanden Sie die Vereinbarkeit von Politik und Privatleben? Oder würden Sie gerade jungen Familienmüttern bzw. -vätern lieber nicht empfehlen, in die große Politik zu gehen?
Wenn man hauptamtlich Politik macht, weiß man, was auf einen zukommt: viele Termine und kaum Zeit für anderes. Da muss man eine gute Selbstorganisation haben, damit auch das Privatleben nicht zu kurz kommt. Für mich selber war alles gut zu organisieren, auch wenn es oft sehr stressig war. Man muss Prioritäten setzen können, auch mal Nein sagen und sich vor allem nicht für unverzichtbar halten.
Für Abgeordnete mit kleinen Kindern ist Politik auch möglich, aber hier gilt es, sich besonders gut zu organisieren, auch braucht es Unterstützung im privaten Umfeld. In der Bundespolitik haben sich die Rahmenbedingen für junge Eltern in den letzten Jahren verbessert, was vor allem daran lag, dass zum Glück viel mehr Abgeordnete mit kleinen Kindern im Bundestag vertreten sind und diese den Druck erhöht haben, dass sich die Rahmenbedingen verbessern.
Man kann sich gar nicht mehr vorstellen, dass Abgeordnete bis vor wenigen Jahren ihre Babys nicht mal kurz für eine Abstimmung in den Plenarsaal nehmen konnten. Mittlerweile ist das selbstverständlich und klappt völlig problemlos. Durch digitale Formate sind bestimmte Termine ja auch für alle gut von Zuhause aus möglich, was besonders Eltern als Erleichterung wahrnehmen.
Bei welchem Thema haben Sie besonders das Gefühl, dass es liegengeblieben ist und sich die nächsten Bundestage dringend darum kümmern müssen?
Das Demokratiegesetz muss endlich verabschiedet werden, damit zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich gegen Rechtsextremismus und Rassismus engagieren, endlich eine verlässliche Finanzierung erhalten.
Was hätten Sie sich in der Arbeit im Bundestag lieber anders gewünscht? Immerhin bekommt man ja von außen nur die vielen Sitzungen und Tagungen mit und die oft 20-Stunden-Arbeitstage. Kann ein derart mit Arbeit ausgelastetes Parlament eigentlich noch den Draht zum Wähler halten?
Die Arbeitsbelastung in den Berliner Wochen ist enorm und die Aufgeregtheit des Berliner Politik- und Medienbetriebes ist oft überzogen. Deshalb ist es wichtig, dass wir in den Wahlkreiswochen viel in der Heimatregion unterwegs sind und hier Kontakt zu vielen Gruppen in der Bevölkerung haben. Diese Themen werden dann bearbeitet und auch zurück in den Bundestag genommen. So ist auch für ausreichend Kontakt zu den Wähler/-innen garantiert.
Und wie schätzen Sie genau diese Verbindung zum realen Leben der Wähler/-innen ein? Sind die Debatten und Entscheidungen des Bundestages nicht viel zu oft abgehoben und berücksichtigen gar nicht die Lebenslagen der Bürger? Oder ist das auch wieder nur ein medial vermittelter Trugschluss?
Die Bundestagsabgeordneten haben durch ihre vielen Termine mit unterschiedlichen Bürger/-innen schon einen guten Einblick in die Lebenslagen, Bedürfnisse und Probleme der Menschen. Dies wird auch in den Bundestagsfraktionen, Ausschüssen und im Bundestagsplenum diskutiert. Leider kommen diese Aspekte manchmal in den Medien nicht ausreichend rüber.
Was empfehlen Sie all jenen, die nach Ihnen im Bundestag tätig werden? Welchen Rat würden Sie ihnen besonders ans Herz legen?
In der Politik braucht man gute Menschenkenntnis und man muss gern mit Menschen umgehen, Lebens- und Berufserfahrung sind von Vorteil, man braucht gute physische und psychische Belastbarkeit und sollte nicht alles an sich heranlassen. Meine Empfehlung ist: menschlich zugewandt, empathisch, inhaltlich klar, fair, den eigenen Stil finden und bodenständig bleiben.
Ich habe mir immer Mühe gegeben, mich verständlich auszudrücken, nicht in „Politiksprech“ zu verfallen. Ich finde es wichtig, Gemeinsamkeiten zu finden, unterschiedliche Meinungen auszuhalten und sich nicht gleich rechthaberisch zu empören. Kompromisse zeichnen eine Demokratie aus, das sollte man in hitzigen Debatten nicht vergessen.