In ihrer letzten Bundestagsrede sprach die Abgeordnete Monika Lazar über ihre Erfahrungen mit deutsch-deutschem Backwerk. Im Gespräch mit der LVZ erklärt die gelernte Bäckerin, was für sie den Reiz der DDR-Brötchen ausmacht.
Die Leipziger Abgeordnete Monika Lazar saß 16 Jahre lang für die Grünen im Bundestag, als eine der wenigen Volksvertreterinnen mit einem handwerklichen Berufshintergrund. Nur passend, dass sie in ihrer Abschiedsrede zum Thema Handwerk eine kleine persönliche Anekdote über den Unterschied zwischen „Ost- und Westbrötchen" unterbrachte.
Im Gespräch mit der LVZ berichtet Lazar nun von ihrer Zeit als Bäckerin und erklärt, was für sie den Reiz der DDR-Brötchen ausmacht.
Lazars Eltern betrieben eine kleine Familienbäckerei in Markkleeberg, und so hatte die Leipzigerin schon von klein auf mit dem Handwerk zu tun.
„Unsere Wohnung war direkt neben dem Laden, und im Innenhof befand sich die Backstube — damals war das so üblich, aber heute wäre das in einem Mietshaus wahrscheinlich kaum noch vorstellbar."
Lazar studierte zunächst Betriebswirtschaft in Leipzig, ihr Abschluss fiel jedoch genau in die turbulente Wendezeit. *„Ich hatte mei-
nen Abschluss im Sommer 1990, aber meine Arbeitsstelle war weg", erinnert sie sich. „Damals war alles furchtbar unübersichtlich, darum dachte ich mir, ich fange einfach mal in der Bäckerei an." Zu dieser Zeit hätten sich auch die ersten Supermärkte mit eigenem Backstand in der Umgebung angesiedelt und viele Stammkunden wären auf die neuen, wohlgeformten Westbrötchen umgestiegen. „Nach der Währungsumstellung sind die Brötchen schlagartig teurer geworden, und die Leute wollten ihr gutes Westgeld natürlich nicht für die bekannte Ostware ausgeben", erinnert sich Lazar. „Irgendwann sind sie aber doch alle wieder zurückgekommen."
Der Unterschied zwischen Brötchen aus der DDR und aus Westdeutschland habe vor allem mit technologischem Fortschritt zusammengehangen, erzählt die 53-Jährige: „Die Bäckereien in Westdeutschland waren damals schon ganz anders ausgestattet als wir: Sie hatten neuere Knetmaschinen, Backtriebmittel und Öfen, und konnten schönere und voluminösere Brötchen backen, in denen aber eben auch mehr Luft war." Während die Westbrötchen also einheitlicher und runder aussahen, blieben die Ostbrötchen weiter klein, kompakt und fest. „Viele Bäckereien sind nach der Wende schnell auf westdeutsche Technik umgestiegen, aber kleinere Familienbetriebe konnten sich das oft gar nicht leisten. " Darum gebe es in Ostdeutschland heute auch noch mehr traditionelle Bäckereien als im Westen.
Die Unterschiede in der Produktion schlagen sich für Lazar auch im Geschmack nieder: Ihr schmeckt das Test-Brötchen aus der Schönefelder Traditionsbäckerei besser als das aus dem Backwarenregal im Supermarkt. „Es schmeckt einfach kräftiger und aromatischer, und darum esse ich es ja", sagt die Abgeordnete: „Auch beim Brötchen gilt: Man sollte nicht nur aufs Äußere schauen, die inneren Werte zählen, " Zu Ostzeiten hätten sich sogar Besucherinnen und Besucher aus Westdeutschland regelmäßig mit „den guten DDR-Brötchen" eingedeckt.
Die Brötchen seien dabei nur ein Beispiel für die Bedeutung des regionalen Handwerks. „Die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie viele Handwerksberufe wirklich systemrelevant sind", sagt Lazar. „Deshalb sollten auch die Konsumentinnen und Konsumenten lokales Handwerk unterstützen und bewusster kaufen. Seit Corona gibt es zum Glück einen Trend in diese Richtung und ich hoffe, dass dieser auch anhält — ob nun für Bäckereien oder andere Handwerksberufe. "
Als Lazars Eltern im Jahr 2004 in den Ruhestand gingen, wurde die Familienbäckerei geschlossen. Die Backstube im Innenhof wurde abgerissen, der Laden wird jedoch noch immer von einer Zwenkauer Bäckerei als Verkaufsraum genutzt. Ob Lazar sich nach ihrem Abschied aus dem Parlament noch einmal am Bäckereihandwerk versuchen möchte, kann sie noch nicht sagen. „Aber da ich ja jetzt ein bisschen mehr Zeit habe, werde ich zu Hause vielleicht mal wieder ein wenig experimentieren."