Die »Fanszenen Deutschlands« sind ein Bündnis von Ultragruppen aus den deutschen Fußballigen. Vor einem Jahr schlossen sich die Kurven zusammen, um einen informellen Dialog mit dem Deutschen Fußballbund (DFB) und der Deutschen Fußballiga (DFL) zu beginnen. Den hat das Fanbündnis in der vergangenen Woche laut Pressemitteilung »mit sofortiger Wirkung« beendet. Als DFB-Boss Reinhard Grindel vor einem Jahr die Aussetzung von »Kollektivstrafen« verkündete, sei eine gewisse Euphorie aufgekommen, die aber rasch wieder verflogen sei. Einmal mehr habe sich der Eindruck verfestigt, Verantwortliche von DFB und DFL versuchten mit einem »medienwirksamen Gesprächsangebot (…), Taten um jeden Preis zu vermeiden«. Der Fanprotest solle nun noch engagierter als zuvor in die Stadien getragen werden. Kein Ligaspiel mehr ohne Spruchbänder und Sprechchöre gegen DFB und DFL.
Der Konflikt ist nicht neu, er schwelt seit langem. Kommerzialisierung, Digitalisierung, Ignoranz von Faninteressen – alles Reizworte für die Anhänger aus der aktiven Fanszene. Aber nicht nur für die, wie Sig Zelt, Pressesprecher von »Pro Fans«, gegenüber jW meint: »Die Forderungen der Ultras entsprechen den Faninteressen der großen Masse im Stadion.« Er sagt, die Einführung von Montagsspielen in der dritten Liga habe das Fass zum Überlaufen gebracht. In der AG Fankultur des DFB habe sich die Fangruppe »Unsere Kurve« dagegen ausgesprochen. Der DFB habe das unter den Tisch fallen lassen und Anfang Juni bestätigt, dass ab dieser Saison auch Drittligaspiele am Montag abend angepfiffen würden. Die Drittligisten stimmten dem zu – ohne Ausnahme. Der Geschäftsführer des FC Carl Zeiss Jena, Chris Förster, bestätigte dies auf Nachfrage gegenüber jW und erklärte, eine TV-Vermarktung, die Mehrerlöse verspreche, sei auch im Wirtschaftsinteresse seines Klubs. Er wisse um die symbolische Bedeutung von Montagsspielen für aktive Fans als Ausdruck »der kritisierten Kommerzialisierung des Fußballs.« Aber: »Solange die Montagsspiele unter den 20 Drittligisten fair verteilt werden und der Grundsatz einer ›machbaren Anreise‹ berücksichtigt wird«, sehe er einen guten Kompromiss zwischen Faninteressen und ökonomischem Sachzwang.
Der Fanprotest in den Stadien werde sich steigern, prognostiziert Zelt. »Laut, bunt und anhaltend.« Auch wenn er die »üble Stimmungsmache« mittels »Kriegsszenarien« in den Springer-Blättern oder im Kicker ablehne, handle es sich um einen Kulturkampf. »Kommerz und Repression – das sind die zentralen Themen.«
Der DFB bedauerte in einer Stellungnahme vom 21. August den Dialogabbruch seitens der »Fanszenen Deutschlands« – und bekräftigte, »weiterhin für einen Meinungs- und Ideenaustausch zur Verfügung« zu stehen. Die Kommunikation werde mit anderen Fans auf verschiedenen Ebenen fortgesetzt, u. a. zum Thema Stadionverbote.
An weiteren Reaktionen herrscht kein Mangel. Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VDV, sagte gegenüber jW: »Ohne Fans würde es keinen Profifußball geben.« Schon deshalb gelte es, einen breiten Dialog zu führen, »in dem berechtigte Interessen der Fans lösungsorientiert diskutiert werden«.
Eberhard Gienger, sportpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, wünschte sich auf jW-Nachfrage eine »Fortführung des Dialogs«. Und sagte: »Der Sportausschuss des Deutschen Bundestages wird sich mit den Facetten der Kommerzialisierung des Profifußballs auseinanderzusetzen haben.«
Der sportpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Detlev Pilger, konstatierte gegenüber jW, dass der Gesetzgeber keinen direkten Einfluss auf DFB-Entscheidungen habe. Gleichwohl nehme er »einen tiefen Graben zwischen Funktionären und den Fans« wahr, eine »Entfremdung zum Fußball-Fan« schreite voran. Auch Pilger mahnte: »Der Fußball darf sich vom eigenen Erfolg nicht auffressen lassen.«
Die Sprecherin für Sportpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Monika Lazar, warf dem DFB vor, die Einführung der Montagsspiele in der dritten Liga »nicht transparent kommuniziert zu haben.« Jeder wisse, Spiele am Montag seien für viele Fans ein »rotes Tuch – und das zurecht«, sagte sie gegenüber jW. Sie sei wenig optimistisch, dass die Sportpolitik in dem Konflikt kurzfristig etwas bewegen könne.
Eine Mitschuld an der Misere hätten auch die Klubs, schreiben die »Fanszenen Deutschlands«. Gegenüber Fans äußerten sie oft Verständnis, machten Zusagen, um auf »Liga- oder Verbandsversammlungen gegenteilig zu agieren«. Lazar verwies auf alternative Fanvereine, nannte das Beispiel des HFC Falke in Hamburg.
Ist das Dialogende unwiderruflich? Fanvertreter Zelt: »Ja, der Schnitt ist erst einmal endgültig. DFB und DFL haben jede Reputation verloren.« Wirklich, kein Hintertürchen? Abwarten. Fans, auch Ultras, haben im Bundestag und bei der Spielergewerkschaft durchaus Fürsprecher.
[Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/338894.ein-rotes-tuch.html]