Leipzig. Gefährlich sieht er trotz seiner scharfen Zähne nicht aus. Viele lassen sich gern mit dem "Jurassic-Pride-Dino" fotografieren, der eine klare Botschaft sendete: "Homophobie fressen!". Dass dies nach wie vor nötig ist, hat Kuku Schrapnell erst am Sonnabend wieder einmal erfahren müssen. "Erst heute hat uns ein Nazi wieder als Abschaum beschimpft", erzählt der 26-jährige Student, der sich eigens für den Umzug extravagant herausgeputzt hat. "Schwule sehen aus wie alle anderen auch", hält er lächelnd ein Schild in die Kamera. Das mag angesichts seines Outfits ein wenig provokant erscheinen. Doch es geht um Aufmerksamkeit. Und darum, ein Zeichen gegen Hass im Alltag zu setzen. Was nicht weiß und hetero ist, ist vielen nach wie vor fremd. Der Rechtspopulismus, beklagen viele Teilnehmer, habe zugenommen.
Regenbogenbunt ist die Fahne, die sich viele junge Leute umgebunden haben oder die sie in ihren Händen halten. Weltweit gilt die Flagge als Zeichen der Toleranz, der Vielfalt von Lebensformen, der Hoffnung und der Sehnsucht nach Akzeptanz. "Es gibt noch immer viele, die uns nicht akzeptieren, wie wir sind", sagt Azubi Lukas (17), für den der Christopher Street Day Statement und Party zugleich ist.
Andreas (58) und Frank (55) sind seit vielen Jahren dabei, setzen vom Scheitel bis zur Sohle auf Partnerlook. Beide wissen, dass vieles wie die "Ehe für alle" erreicht ist. "Es ist dennoch irgendwie traurig, dass da nur der eine Tag ist, an dem wir uns so frei bewegen zu können. In Ländern wie Spanien ist das anders", erzählt der Zollbeamte. Er und sein Freund erleben im Bekanntenkreis, auf Arbeit oder in ihrem Dorf bei Eilenburg zwar keine Diskriminierung. Doch schon auf dem Weg zum Markt haben sie ablehnende und böse Blicke registrieren müssen. Oft sind es nur kleine Gesten. "In einigen Ländern gibt es für Homosexualität noch die Todesstrafe. Deshalb müssen wir noch viel mehr Flagge zeigen und die Leute aufklären", sagt Andreas.
Diesem Zweck dienen auch die vielen Info-Stände vorm Alten Rathaus. Zum Beispiel der von den Rainbow Bulls, dem ersten schwul-lesbischen Fanclub von Rasenballsport Leipzig. Dessen 38 Mitglieder werben für eine offene Fankultur. "Wir haben Spaß am Fußball, wollen etwas gegen die Homophobie in deutschen Arenen tun. Auch ein Schwuler muss ins Stadion gehen können, ohne Angst zu haben, sich zu outen", betont Sebastian (30). Geplant sei beispielsweise eine Fahrt am 27. August nach Dortmund, wo es auch ein Treffen mit den Rainbow Borussen geben wird. "Wir sind bunt gemischt. Es gibt auch heterosexuelle Pärchen bei uns", ergänzt Konrad (35).
Beate Ißmer, die sich selbst als evangelische Lesbe bezeichnet, erzählt am Stand des Vereins Rosa Linde, dass sich auch der Gottesdienst zum CSD etabliert hat und dass sich viele Menschen regelmäßig zum Stammtisch "Queer & glauben" treffen. "Auch wenn der Bischof sich nicht freut: Ich gehöre nach wie vor der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsen an", betont sie.
Luftballons steigen auf, unter die bunten Kostüme der Parade mischen sich politische Botschaften. Rock- und Popklänge schallen entlang der Umzugsroute. "In allen Städten versuchen wir, die Leute in Stimmung zu bringen", schildert DJ Super Zandy. Berlin möge zwar die schrillere CSD-Parade haben. Aber er ist auch mit Leipzig, der größten Party dieser Art in Sachsen, sehr zufrieden. "Wir wollen niemandem etwas wegnehmen, aber sichtbar machen, dass auch wir lieben und leben wollen"“, betont Sandra Kamphake vom CSD-Team. Die diesjährige Veranstaltung wertet sie als großen Erfolg.
Laut Veranstalter und Polizei nehmen bis zu 6000 Menschen an dem Umzug teil. Darunter sind auch Politiker wie Sören Pellmann (Die Linke), Monika Lazar (Grüne) und Naomi-Pia Witte (FDP): "Natürlich haben wir in den vergangenen Jahren viel erreicht. Wir kämpfen aber weiter, bis es normal ist, einen transsexuellen oder intersexuellen Bundeskanzler zu haben", sagt Witte.
Autor: Mathias Orbeck
[Quelle: www.lvz.de ]