Das Auto ist so deutsch wie der Nationalsozialismus: Die Autobahnen wurden von Hitler realisiert, Volkswagen wurde von der nationalsozialistischen „Deutschen Arbeitsfront“ aufgebaut. Doch für manche Neonazis reicht das offenbar nicht. Sie wollen ihre rechtsextreme Ideologie auf ihren Autokennzeichen stolz zur Schau stellen: mit Szene-Codes und NS-Chiffren.
So einfach ist das nicht: die Buchstabenkombination „HJ“, KZ“, „SA“, und „SS“ werden bereits seit 2000 bundesweit nicht mehr vergeben. Auch „NS“ ist in den meisten Bundesländern nicht mehr erlaubt. Die Begründung dafür findet man im Paragraph 8, Absatz 1 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung. Dort heißt es: „Die Zeichenkombination der Erkennungsnummer sowie die Kombination aus Unterscheidungszeichen und Erkennungsnummer dürfen nicht gegen die guten Sitten verstoßen“. Kennzeichen werden allerdings von den 706 Zulassungsstellen in Deutschland vergeben. Was gegen diese „guten Sitten“ verstößt, ist Ländersache.
Bereits 2008 warnte der Brandenburger Verfassungsschutz in einem Informationsblatt mit dem Titel „Falsche Kennung: Kritische Kombinationen auf Kfz-Kennzeichen“ davor, dass Neonazis auch auf die szeneintern beliebten Zahlenkombinationen 14, 18, 28, und 88 zurückgreifen – die jeweils für die „14 Words“, „Adolf Hitler“, „Blood & Honour“ und „Heil Hitler“ stehen. In Brandenburg sind bereits viele Kombinationen verboten: die Zahlen 14, 18, 28, 88, 188, 1888, 8888 und 8188 werden nicht zugelassen. Auch Kennzeichen mit „JN-18“, „HH-18“ und „AH-18“ sind nicht erlaubt.
Eine einheitliche Regelung gibt es allerdings nicht: In Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Schleswig-Holstein, Thüringen und im Saarland sind lediglich die eingangs erwähnten Buchstabenkombinationen verboten, in Sachsen-Anhalt auch die Zahlenkombination „88“ und die Buchstaben „SK-IN“ (für Skinhead) für den Saalekreis mit dem Ortskürzel „SK“. Auch „SD“, eine Abkürzung für den „Reichssicherheitsdienst“ wird in Hamburg und Hessen nicht vergeben. Alleine im Saarland und Sachsen-Anhalt darf „NS“ auf dem Nummernschild stehen.
Auch in manchen Städten und Kreisen gibt es weitere Verbote: In Nürnberg, wo Kennzeichen mit dem Buchstaben „N“ beginnen, sind beispielsweise die Kombinationen „N-SU“ und „N-PD“ verboten. In Köln gibt es eine Sonderregelung für „K-Z“ und „K-ZZ“. In Schleswig-Holstein werden in den Kreisen Dithmarschen und Steinburg die Kennzeichen „HEI-L“ und „IZ-AN“ (Nazi rückwärts) nicht vergeben.
Manche Kennzeichenwünsche werden vor Gericht entschieden: 2019 registrierte ein Mann aus dem Kreis Viersen in NRW das Autokennzeichen „HH 1933“. Das Kennzeichen wurde von der Zulassungsbehörde an ihn vergeben, bevor es auf eine Bürgerbeschwerde wieder eingezogen wurde. Der Autobesitzer klagte vor Gericht und verlor: Das Verwaltungsgericht in Düsseldorf entschied, dass die Kombination „sittenwidrig“ sei, weil sie an die nationalsozialistische Unrechtsherrschaft erinnere (vgl. Kölnische Rundschau).
Baden-Württemberg will seine Regeln zu Kfz-Kennzeichen nun verschärfen: Bislang waren nur „KZ“, „SA“, „SS“, „HJ“ und „NS“ nicht erlaubt. Künftig sollen auch „1488“, „HH 18“, „AH 18“, „HH 88“ und „AH 88“ nicht mehr vergeben werden. Das gab das Landesverkehrsministerium Anfang Februar 2021 in einer Pressemitteilung bekannt. Die Entscheidung folge den Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses im Landtag. Buchstaben- und Zahlenkombinationen sollen demnach bei der Vergabe von Kfz-Kennzeichen ausgeschlossen werden, die den bekannten rechtsextremen Szenecodes entsprechen.
Ob weitere Verkehrsministerien ähnliche Schritte planen, ist unbekannt. Auf eine Anfrage von Belltower.News sagt eine Sprecherin des Bundesverkehrsministeriums, dass es keine bundesweite Regelung geben werde, bestätigt aber, dass es in allen Bundesländern Empfehlungen, Weisungen oder Erlasse gebe, wonach bestimmte Buchstabenkombinationen bei der Zuteilung der Erkennungsnummern zu vermeiden seien – unter anderem Buchstabenkombinationen, die auf ehemalige nationalsozialistische Vereinigungen oder einen nationalsozialistischen Bezug hinweisen, wie es in der Antwort des Ministeriums heißt.
„Rechtsextremisten bedrohen unsere Demokratie und unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger – auch die Verkehrsbehörden sind da gefragt“, so der baden-württembergische Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) in der Pressemitteilung seines Ministeriums. „Nach unserer Auffassung und der des NSU-Untersuchungsausschusses des Landtags ist es nicht hinnehmbar, dass Rechtsextremistinnen und Rechtsextremisten sich amtlich Kennzeichen zuteilen lassen und so ihre menschenverachtende Gesinnung öffentlich zur Schau stellen können“, heißt es weiter. Für bereits zugeteilte Kennzeichen gebe es allerdings ein Bestandschutz, so das Ministerium. Bei „Verstößen gegen die guten Sitten“ könnte die zuständige Zulassungsbehörde aber eingreifen und das Kennzeichen ändern.
Doch wie sinnvoll tragen solche Kennzeichen-Verbote zum Kampf gegen Rechtsextremismus bei? Und greifen die aktuellen Regeln zu kurz? Viele Autobesitzer*innen suchen nach Zahlen- und Buchstabenkombinationen für ihre Namen oder Geburtsdaten oder die ihrer Angehörigen. Und im Jahrgang 1988 haben inzwischen viele den Führerschein. Für Neonazis können aber solche Codes auch für ihre Zugehörigkeit zur rechtsextremen Szene stehen.
Martina Renner, Fraktionssprecherin für antifaschistische Politik bei den Linken im Bundestag, warnt im Gespräch mit Belltower.News vor der Symbolkraft, die solche Kennzeichen haben können: „Für Neonazis dienen solche Codes der Einschüchterung ihrer Gegner*innen und zur gegenseitigen Erkennung. Es ist wichtig, dass Behörden darüber Bescheid wissen und entsprechend handeln.“ Gleichzeitig betont Renner, dass sich solche Codes auch über die Zeit ändern. „Neonazis bleiben auch dann eine Gefahr, wenn sie mit unauffälligen Kennzeichen unterwegs sind“, so Renner weiter.
Ähnlich sieht es Monika Lazar, Fraktionssprecherin der Grünen im Bundestag für Strategien gegen Rechtsextremismus. „Da die Behörden vor Ort entscheiden, ob ein Kennzeichen ‚sittenwidrig‘ ist, braucht es unbedingt mehr Sensibilisierung und Weiterbildung des Personals für rechtsextreme Symbole in den verschiedenen Bereichen“, sagt sie Belltower.News. Doch ihre Partei strebe weder bundesweite Vorgaben für die Vergabe der Kfz-Kennzeichen noch eine Verschärfung der Strafgesetze an. „Mit Verboten kann man leider nicht alles erfassen, was sich da knapp unterhalb der Strafbarkeit tummelt, zumal man immer auf neue Varianten ausweichen kann.“ Das Problem des Rechtsextremismus sei nicht allein mit Repression zu lösen, führt Lazar fort. „Ich setze langfristig stark auf die zivilgesellschaftliche Prävention.“
Autor: Nicholas Potter