Die geplante Entfristung von Anträgen zur Rehabilitierung der Opfer politischer Verfolgung in der DDR trifft im Bundestag auf einen breiten Konsens. Das veranschaulichte am vergangenen Freitag die Debatte über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Verbesserung rehabilitierungsrechtlicher Vorschriften (19/10817).
Mit dem Gesetz sollen das strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz, das berufliche Rehabilitierungsgesetz und das verwaltungsrechtliche Rehabilitierungsgesetz, bei denen eine Antragstellung nur noch bis Ende dieses Jahres möglich ist, entfristet werden. Zudem soll die Rehabilitierung von zu DDR-Zeiten in Heimen untergebrachten Kindern und Jugendlichen vereinfacht werden.
Redner aller Fraktionen erklärten die Fortsetzung der Aufarbeitung des SED-Unrechtsregimes für unabdingbar, um den Opfern Gerechtigkeit und eine Wiedergutmachung zu ermöglichen.
Anerkennung der Opfer
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Christian Lange (SPD), sagte, 30 Jahre nach der friedlichen Revolution in der DDR gebe es heute Anlass dazu, der SED-Opfer zu gedenken. „Ihnen gebührt unser aller Anerkennung." Lange betonte, die Hoffnung, die Rehabilitierung innerhalb eines bestimmten Zeitraums abschließen und die Aufarbeitung beenden zu können, habe sich nicht erfüllt. Den vielen Betroffenen, die erst spät den Mut fänden, über das Durchlebte zu reden, dürfe nicht die Möglichkeit genommen werden, ihr Recht durchzusetzen. Der sächsische CDU-Abgeordnete Arnold Vaatz sagte, staatlich verursachtes Unrecht lasse sich niemals gänzlich heilen. Es sollte jedoch versucht werden, so viel Heilung wie möglich zu erreichen. Der Gesetzgeber habe deshalb die Verantwortung, den Betroffenen die Rehabilitierung zu erleichtern. Besser wäre es allerdings gewesen, von Anfang an auf eine Befristung zu verzichten, sagte Vaatz. Es sei unangemessen, die Geschädigten durch Fristen unter Druck zu setzen.
Heimkinder
Das Beispiel der Leiden der Heimkinder als neue Dimension des DDR-Unrechts zeige, dass immer neue Sachverhalte es erforderlich machten, die Rehabilitierungspraxis ständig zu überprüfen. Der Gesetzentwurf sei auch noch unvollständig, sagte Vaatz, und verwies auf die Verfolgung von Schülern und die Zwangsadoptionen in der DDR. Den damit verbundenen Fragen müsse auf den Grund gegangen werden. Dem schloss sich Karl-Heinz Brunner (SPD) an. Dieser Teil der Geschichte müsse aufgearbeitet werden. Die betroffenen Kinder müssten ihre Identität zurückerhalten. Dies soll den beiden Abgeordneten zufolge mithilfe von Datenbanken und Vermittlungsstellen ermöglicht werden. Das geschehene Unrecht könne nicht beseitigt, aber die Folgen des Unrechts könnten zumindest gemildert werden, sagte Brunner.
Nachweise
Auch die AfD begrüßte die Entfristung. Der Antrag sei die einzig richtige Lösung, sagte der Abgeordnete Detlev Spangenberg. Er sprach sich jedoch dafür aus, alle Entschädigungszahlungen ohne Anrechnung anderer Einkünfte auszureichen. Eine von den Grünen beabsichtigte Angleichung der Entschädigung für Haftzeiten und berufliche Benachteiligung sei nicht zu vermitteln. Kritisch sieht die AfD auch eine aus ihrer Sicht erhebliche Ungleichbehandlung zweier Opfergruppen. Es sei ein Problem, dass Rehabilitierungsanträge strafrechtlich Verurteilter bei fehlenden Nachweisen abgelehnt würden, während bei Heimkindern von Nachweisen abgesehen werden könne.
Jürgen Martens (FDP) sagte, der Rechtsstaat mühe sich, die Folgen des in der DDR erlittenen Unrechts zu mildem, gänzlich wiedergutmachen könne er es nicht. Es kämen immer noch neue Aspekte des Unrechts in der DDR in das öffentliche Bewusstsein. Die Entfristung der Rehabilitierungsgesetze sei daher zwingend erforderlich und moralisch geboten. Es dürfe keinen bürokratischen Schlussstrich geben. Die AfD-Kritik wertete Martens als Zynismus. Es wäre unredlich, Menschen, die damals kleine Kinder waren, die Beweislast für die Umstände ihrer Adoption oder Heimunterbringung aufzubürden.
Für die Linke begrüßte Friedrich Straetmanns den Entwurf. Seine Fraktion werde das Gesetzgebungsverfahren konstruktiv begleiten. Auch seiner Fraktion gehe es darum, den Geschädigten die Möglichkeit zu erhalten, ihre Ansprüche geltend zu machen. In der weiteren Beratung des Entwurfs müsse auch darüber geredet werden, was man für zu Unrecht benachteiligte Menschen über den Kreis der im Gesetz vorgesehen Antragsteller hinaus tun kann. Dazu zählten Menschen, die wegen der Einstellung ihrer Eltern in ihrer Berufswahlfreiheit eingeschränkt wurden. Auch fehlten die Zwangsausgesiedelten an der innerdeutschen Grenze. Darüber hinaus seien Maßnahmen erforderlich, um die Lebensumstände der Betroffenen zu verbessern.
Monika Lazar (Grüne) fragte, ob wirklich genug getan werde, um das SED-Unrecht wiedergutzumachen. Bei den Rehabilitierungsgesetzen gebe es Gerechtigkeitslücken. Die Grünen stünden in der Tradition der DDR-Bürgerrechtsbewegung und sähen die Notwendigkeit, bei dem Gesetz auf Bundesebene noch nachzusteuern. Mit ihren Anträgen empfehle die Fraktion, die Vorschläge des Bundesrates zu prüfen und mit einzubeziehen. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sehe zwar eine Entfristung und Verbesserungen für DDR-Heimkinder vor, andere Anliegen würden jedoch nicht berücksichtigt.
Autor: Michael Wojtek