Sportler, die als Kinder und Jugendliche in DDR-Leistungssportzentren gedopt worden sind, brauchen aus Expertensicht mehr Zeit, um sich Hilfe zu holen. „Unsere Beobachtung ist, dass die Betroffenen nur schleppend realisieren, dass ihre gesundheitliche Probleme etwas mit früherem Doping zu tun haben“, sagte die Beauftragte des Landes Sachsen-Anhalt zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, Birgit Neumann-Becker, der Deutschen Presse-Agentur in Magdeburg. Erst kürzlich hatte beispielsweise der Rostocker Zehnkampf-Olympiasieger Christian Schenk (Seoul 1988) zugegeben, über Jahre hinweg leistungssteigernde Mitel zu sich genommen zu haben. „Ich habe gedopt, und ich wusste, dass ich dope", so Schenk in seiner Biografie. Im Gegensatz zu Schenk wüssten viele Sportler allerdings nicht, dass sie leistungssteigernde Mittel erhalten haben. Auf den ersten Blick sei das auch gar nicht erkennbar, oft auch nicht für Ärzte und Spezialisten.
Dabei wird die Zeit knapp für die Betroffenen. Nur noch bis zum Jahresende können sie Leistungen nach dem zweiten Dopingopfer-Hilfegesetz beantragen. Die Regelung gibt es seit Mitte 2016, ursprünglich sollte sie bis Mitte 2017 laufen, wurde dann aber bis Ende 2018 verlängert. Nun fordern die Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen eine weitere Verlängerung. „Unsere Erfahrung ist, dass die Betroffenen mit dem kurzen Zeitfenster gar nicht umgehen können. Zum Teil sind sie in Rehamaßnahmen und Kliniken oder auch mit akuten Krankheitssituationen beschäftigt.“
Beim Bundesverwaltungsamt sind seit dem Inkrafttreten des Gesetzes 760 Anträge auf finanzielle Hilfe eingegangen, wie eine Sprecherin in Köln auf Anfrage mitteilte. In 554 Fällen sei Geld ausgezahlt worden. „Eine Häufung der Anträge vor dem Ablauf der Antragsfrist des zweiten Dopingopfer-Hilfegesetzes zum Jahresende nehmen wir nicht wahr“, hieß es weiter. Die Dopingopfer erhalten einmalig 10 500 Euro.
Neumann-Becker sieht für die Betroffenen aber noch eine Erschwernis hinzu: „Eigentlich will von denen niemand gedopt worden sein. Das ist nichts, was jemand für sich gern behaupten möchte. Eigentlich möchten sie damit nichts zu tun haben. Das ist unsere Erfahrung.“ Die Sportler empfänden es als unehrenhaft. „Die, mit denen ich gesprochen habe, hätten ihre Leistung gern ohne Doping vollbracht. Zudem ist es ein extremer Vertrauensbruch zu den Trainern und Ärzten“, sagte die Aufarbeitungsbeauftragte weiter.
In Magdeburg wurden laut Neumann-Becker bislang rund 80 Frauen und Männer zu den Möglichkeiten des Dopingopfer-Hilfegesetzes beraten, etwa die Hälfte seien aus Sachsen-Anhalt. Hintergrund sei, dass es nur drei spezialisierte Kliniken gebe, die sich auf die Begutachtung einließen. Neben Magdeburg seien das Schwerin und Stralsund. „Am Anfang waren es mehr Beratungsanfragen und jetzt ist es eigentlich gleichbleibend, dass sich drei, vier Leute die Woche melden.“ Zusätzliche Anfragen jetzt kurz vor dem Ende der Frist gebe es nicht.
Für den kommenden Montag hat die Aufarbeitungsbeauftragte in Halle eine Veranstaltung geplant, um darauf hinzuweisen, dass Ende des Jahres die Antragsfrist abläuft. Unter dem Titel „Traumatische Folgen des DDR-Staatsdopings“ werden Experten informieren, es kommen aber auch betroffene Sportler zu Wort. Am 13. September gibt es in Halle einen Beratungstag für Doping-Opfer.
Autorin: Dörthe Hein
[Quelle: www.svz.de]