Zur schwarz-gelben Ablehnung des grünen Antrags für ein 50-Millionen-Bundesprogramm gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit erklären Sven-Christian Kindler, Haushaltsberichterstatter für den Familienetat, und Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:
Jugendliche frühzeitig für die Demokratie gewinnen, MigrantInnen stärken und beteiligen, Nazi-Positionen gesellschaftlich ächten – all das gehört zu einer umfassenden Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus. Einstellungen wie Rassismus, Antisemitismus, Muslimfeindlichkeit, Antiziganismus und Homo- und Transfeindlichkeit müssen zurückgedrängt, demokratische Angebote vor Ort gefördert werden. Menschen mit Migrationshintergrund, die von Diskriminierung und Gewalt betroffen oder bedroht sind, brauchen Ermutigung und Unterstützung, z.B. durch gute Empowermentprojekte.
Gerade im Umgang mit Migrantinnen und Migranten haben auch staatliche Organe tragisch versagt. Ein Jahr nach Bekanntwerden der NSU-Verbrechen ist das schwerwiegende Versagen der Ermittlungsbehörden offensichtlich. Spuren ins Nazi-Milieu wurden nicht verfolgt, stattdessen gerieten die Opfer und ihr Umfeld in den Fokus von Verdächtigungen. Hier muss offen über Rassismus und Vorurteile gesprochen werden. Jüngste Erhebungen der Friedrich-Ebert-Stiftung belegen die Problematik auch statistisch: Jeder Vierte in Deutschland denkt „ausländerfeindlich“, weit über ein Drittel der Befragten vertritt islamfeindliche Meinungen, fast jeder Dritte unterstellt, Juden würden das Holocaust-Gedenken instrumentalisieren. Eine Sensibilisierung für rassistische und neonazistische Tendenzen ist auf allen Ebenen notwendig.
Wir fordern ein Programm gegen Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und für Demokratiestärkung mit einer jährlichen Fördersumme von 50 Millionen Euro. Heute hätte die schwarz-gelbe Koalition im Bundestag ein klares Bekenntnis gegen Rechtsextremismus ablegen und ein Programm mit klarem Ziel beschließen können. Zudem wäre es dringend geboten gewesen, die bestehende Projektarbeit für die Zeit nach der Bundestagswahl durch Verpflichtungsermächtigungen abzusichern. Stattdessen hält Schwarz-Gelb an einem realitätsfernen und ideologischen Konzept gegen jeden „Extremismus“ fest, nimmt dramatische Einbrüche bei der Arbeit gegen Rechts nach 2013 in Kauf und gängelt Initiativen damit, ihre Verfassungstreue per Unterschrift dokumentieren zu müssen. Das ist absurd. Kritisch beleuchtet werden sollten nicht kompetente Initiativen, sondern inkompetente Sicherheitsbehörden. Deren Strukturen grundlegend zu ändern wäre zukunftsweisend, insbesondere dann, wenn dabei die Expertise zivilgesellschaftlicher Initiativen maßgeblich einbezogen würde.