Dem Vertrauensverlust in Politik und Wirtschaft entgegenwirken!

Pressemitteilung, 04.12.2009

Zur heutigen Vorstellung der aktuellen Ergebnisse der Studie "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit – Eine Langzeituntersuchung" von Prof. Wilhelm Heitmeyer erklärt Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus:

Politik und Wirtschaft sind dringend aufgefordert, Vertrauen der Menschen zurückzugewinnen. Zu viele haben das Gefühl, gesellschaftlichen Entwicklungen wehrlos ausgeliefert zu sein, ohne gestaltend eingreifen zu können. 80 Prozent der Befragten glauben, "Leute wie sie" müssten für die Fehler von Wirtschaft und Politik geradestehen und die aktuelle Krise ausbaden. Darüber herrscht Wut, die jedoch nicht in politische Partizipation mündet.

Wir fordern die Bundesregierung auf, diese Entwicklung sensibler wahrzunehmen und Strategien zur verstärkten Ansprache und Einbindung der politisch resignierten Bevölkerung vorzulegen.

Erfreulich sind die leicht positiven Trends bei "gruppenbezogenen Abwertungen" etwa im Dunstkreis von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. Die Bundesregierung muss auch künftig zivilgesellschaftliche Initiativen gegen Rechtsextremismus solide finanziell unterstützen, damit dieser Trend sich fortsetzen kann.

Sehr wichtig ist eine breite Stärkung unserer Demokratie auf allen gesellschaftlichen Ebenen, die auf die aktive Mitwirkung der Bevölkerung setzt. Die Einsetzung einer Enquete-Kommission zur Entwicklung einer attraktiven, lebendigen und offenen Demokratie wäre ein guter Schritt, um das Thema in Politik und Öffentlichkeit präsenter zu machen und voranzubringen.
 
Hintergrund:
Die Studie ergab einen solchen gesamtgesellschaftlichen Handlungsbedarf ganz deutlich. Schuldzuschreibungen erfolgen weniger als früher gegen Gruppen, die als sozial schwach wahrgenommen werden. So sehen nur knapp 15 Prozent die Ursache der Krise bei "den Ausländern". 89 Prozent hingegen beschuldigen "die Banker und Spektulanten", also eine neue, sozioökonomisch starke Gruppe von "Sündenböcken". Ein grundsätzliches systembezogenes Misstrauen ist bei einem Großteil der Befragten zu verzeichnen. 73,2 Prozent halten "das kapitalistische Wirtschaftssystem" für die Ursache der aktuellen Krise. Der überwiegende Teil, in der unteren Soziallage sogar 83.7 Prozent, werfen den Politikerinnen und Politikern vor, bestehende Gesetze zu umgehen, wenn es um eigene Vorteile geht. Ebenfalls weit mehr als die Hälfte meint, ohnehin keinen Einfluss auf das zu haben, was die Regierung tut. Wut und Betroffenheit angesichts der aktuellen Krise sind stark ausgeprägt. Besonders in der unteren und mittleren Soziallage empfinden mehr als 90 Prozent große Wut, verzichten aber weitgehend auf politische Partizipation. Diese Kombination birgt viel Gefahrenpotenzial für unsere Demokratie.