Zu den aktuellen Umstrukturierungen beim Bundesprogramm "Demokratie leben!", die in einem heute veröffentlichten Offenen Brief von zivilgesellschaftlichen Initiativen kritisiert werden, erklären Monika Lazar, Sprecherin für Strategien gegen Rechtsextremismus, und Ekin Deligöz, Mitglied im Haushaltsausschuss:
Die Förderung der demokratischen Zivilgesellschaft durch den Bund muss finanziell ausgebaut und endlich verstetigt werden. Wir fordern seit Jahren eine bundesgesetzliche Grundlage für eine solide Strukturförderung. Seit Jahren verspricht Bundesfamilienministerin Giffey ein solches Demokratiefördergesetz - ohne Resultat. Offenkundig war sie bislang der Blockade der Union nicht gewachsen.
Die Koalition muss jetzt sehr rasch klären, ob sie ein Demokratiefördergesetz will. Die Bundesfamilienministerin kann nicht jedes Mal, wenn es eng wird, auf diese Initiative verweisen, wohlwissend, wie unrealistisch eine Koalitionseinigung ist. Unabhängig davon muss die Koalition jetzt aber auf die erheblichen Verwerfungen reagieren, die mit der Umgestaltung des Programms "Demokratie leben" entstanden sind. Wir werden auch deshalb eine Erhöhung des Bundesprogramms im laufenden Haushaltsverfahren um 20 Millionen Euro gegenüber dem Vorjahresansatz beantragen.
Der schreckliche Anschlag von Halle hat einmal mehr gezeigt, wie unverzichtbar die Expertise bewährter zivilgesellschaftlicher Träger, Projekte und Netzwerke in Beratung, Prävention und Opferhilfe ist. Mehr denn je werden ihre Leistungen heutzutage angefragt, deshalb brauchen sie mehr Unterstützung und Absicherung. Stattdessen führt die geplante Umstrukturierung des Bundesprogramms "Demokratie leben!" jedoch dazu, dass viele Träger von Modellprojekten zum Jahresende ihre Arbeit einstellen oder zumindest massiv einschränken müssen. Die Kürzungen für Selbstorganisationen der von Rassismus betroffenen Personen, insbesondere für Migrantenorganisationen sowie Roma- und Sinti -Projekte, sind sehr einschneidend. Das ist unverständlich und inakzeptabel.
Von "Demokratie leben!" geförderte Projekte setzen sich proaktiv gegen Rassismus und für eine plurale Demokratie ein. In Zeiten wie diesen darf die Bundesregierung diesen Projekten keine Steine in den Weg legen oder sie ewig in der Schwebe lassen, sondern muss sie stärken und finanziell vermehrt fördern. Staat und Gesellschaft müssen proaktiv Rassismus und Diskriminierung im Alltag und in den Institutionen entgegenwirken - gerade in Zeiten, in denen rechte Einstellungen bis in die Mitte der Gesellschaft reichen.