Wenn Neonazis sich in grüner Politik versuchen: "Braune Ökologie" und ihre Folgen für die Region

Bund-Länder-Europa Treffen gegen Rechtsextremismus am 26.11.2012

Das Bund-Länder-Europa-Treffen fand am 26.11.2012 von 12.30 bis 16.00 Uhr im Deutschen Bundestag statt. [Einladung lesen]

Gentechnikfreie Nahrung für deutsche Kinder, Biobauern in völkischer Siedlungstradition, nationalistische Proteste gegen polnische Atomkraftwerke: Nazis missbrauchen Öko-Themen, die die Menschen bewegen. Um so wichtiger ist es, dass die verschleierten Ziele "brauner Ökologen" öffentlich entlarvt werden. Es muss unmissverständlich klargestellt werden: Die Forderungen von NPD & Co. haben nichts mit einer grünen, ökologischen Ausrichtung gemein. Um uns über den Naturschutzbegriff der rechtsextremen Ideologie, die aktuellen Entwicklungen in der "braunen Öko-Szene" und mögliche Gegenstrategien zu informieren, waren drei fachkundige ExpertInnen zum Bund-Länder-Europa-Treffen eingeladen.

Naturschutzbegriff in der rechtsextremen Ideologie

Schon ein Blick auf die Medien rechtsextremer Parteien und Publikationen zeigt, dass Natur- und Umweltschutz für Nazis ein wichtiges Thema ist - und das schon sehr lange. Warum sich rechtsextreme Parteien und Gruppen für Natur- und Umweltschutz seit jeher einsetzen, erläuterte Dr. Nils Franke vom Wissenschaftlichen Büro Leipzig in seinem Vortrag. Zum einen wollen Nazis den ökologischen Umbau der Gesellschaft in den 1970er Jahren zur Erhöhung ihrer Anschlussfähigkeit missbrauchen, zum anderen gehört der Naturbezug zu den Kernbausteinen der rechtsextremen Weltsicht.
Oft ist der braune ideologische Kern bei ökologischen Themen nicht auf den ersten Blick ersichtlich. Schaut man aber genauer hin, wird schnell klar: Brauner Naturschutz meint deutschen Heimatschutz in seiner abstrusesten Form. Letztlich geht es immer darum, die "gesunde Volkssubstanz" zu erhalten. Wichtigster Baustein ist dabei der "Blut-und-Boden"-Bezug, der hinter vielen ihrer Aussagen zum Natur- und Umweltschutz steht. Bezugnehmend auf den "Mythos Germanien" setzen sich Rechtsextreme für den Artenschutz als Schutz "deutscher" Pflanzen und Tiere ein. Landschaft soll als ein Subsystem von Heimat geschützt werden. Landwirte und bäuerliche Familienbetriebe gelten als Ideal der "Blut-und-Boden-Ideologie" und somit als wesentliche Zielgruppe.
Die Broschüre "Naturschutz gegen Rechtsextremismus. Eine Argumentationshilfe" analysiert gängige rechtsextreme Aussagen zum Natur- und Umweltschutz, legt ihre braunen Kernbotschaften frei und stellt so eine gute Hilfe für NaturschutzakteurInnen im Umgang mit rechtsextremen Vereinnahmungsversuchen dar.

 

Aktuelle Entwicklungen in der "braunen Öko-Szene"

Aus strategischen Gründen wenden sich NPD, Freie Kameradschaften und Autonome Sozialisten zunehmend sozialen Problemen und lokalen Konflikten zu. Dabei sind auch Umwelt-, Natur- und Tierschutz in Ost wie West wieder verstärkt ins Zentrum ihrer Aktivitäten gerückt. Im Parteiprogramm der NPD spielen aber Umwelt- und Naturschutz bereits seit den 1970er Jahren eine Rolle, wie der Journalist Andreas Speit erläuterte. Die umweltpolitischen Forderungen beziehen sich dabei insbesondere auf den "Heimatschutz" und wenden sich gegen ökologische, soziale und emanzipatorische Vorstellungen. Umweltschutz ist bei der NPD immer mit kulturellen Entwicklungen verknüpft und zielt auf den Erhalt des "gesunden Erbgutes des deutschen Volkes" ab. Umweltschutz kann bei der extremen Rechten grundsätzlich nicht getrennt von den kulturellen Entwicklungen betrachtet werden, denn in ihrer ideologischen Weltanschauung sind "Deutsche Landschaften Kulturlandschaften".
Im politischen Alltag wird gerne darauf verwiesen, dass die Grünen ihre "Öko-Propaganda" nur zur "Bemäntelung ihrer wahren, gesellschaftspolitischen Ziele, bspw. (…) den Randgruppen-Interessen" einsetzen würden. "Braune Ökologen" verstehen dagegen das "Einwanderungsproblem" als ein "ökologisches Problem". In der extrem-rechten Szene hat sich das Magazin "Umwelt & Aktiv. Umweltschutz – Tierschutz - Heimatschutz" in den letzten Jahren zu der ökologischen Publikation entwickelt. Erklärtes politisches Ziel ist es, das "politische Feld des Umweltschutzes wieder mit heimatverbundenen Kräften zu besetzen". In den Beiträgen des Magazins wird die inhaltliche Nähe zur völkischen Ideologie der NPD immer wieder deutlich, was nicht verwundert, da enge Kontakte zwischen Redaktionsmitgliedern und der NPD bestehen.

Die braune Bio-Szene ist inzwischen gut vernetzt und schafft es immer wieder, ihre Belange und völkischen Positionen zunächst unerkannt bei lokalen und regionalen Umwelt- und Naturschutzinitiativen und -bündnissen einzubringen. Es ist deshalb unerlässlich, sich mit "brauner Ökologie" auseinanderzusetzen. Nur dort, wo das Agieren der extremen Rechten erkannt und offensiv benannt wird, fällt ihnen die Etablierung schwer.

 

Völkische Siedlungsbewegungen und Gegenstrategien

Seit einigen Jahren lassen sich völkische SiedlerInnen und Familien verstärkt in ländlichen Räumen nieder, um dort "im Einklang mit Natur und Heimat" zu leben. Kristina Quandt vom Verein Soziale Bildung e.V. Rostock erklärte, wie sie dabei auf eine langfristige Etablierung in der jeweiligen Region setzen. Sie planen ihr Vorgehen über mehrere Generationen hinweg und versuchen, ein möglichst autarkes Wirtschaftsnetzwerk mit Handwerkskooperativen, Fahrgemeinschaften und Ökolandwirten aufzubauen. Grundstückskäufe werden von völkischen SiedlerInnen derzeit unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern als "nationaler Modellregion" in großem Umfang getätigt. Die Strategie einer langfristigen Planung und Ansiedlung und das bewusst sympathische und vertrauenswürdiges Auftreten vieler SiedlerInnen birgt die Gefahr, dass ihre eigentlichen Anliegen nicht erkannt werden und sich ihnen viele Türen in lokale Gemeinwesen öffnen. Wo es Aufklärung und Widerstand gibt, hat es sich gezeigt, dass völkische SiedlerInnen mit drei unterschiedlichen Strategien reagieren: 1) Rückzug und Abschottung. 2) Aggressives Auftreten z. B. in Form von Hausbesuchen bei Gegnern. 3) Vernetzung mit gewaltbereiten Gruppierungen in der Region. Regionale Vernetzung, regelmäßiger Austausch und beratende Unterstützung durch Fachleute haben sich als hilfreich für Gegenakteure und BewohnerInnen erwiesen. Öffentliche Distanzierungen und Resolutionen gegen "braune Ökologie" setzen positive Signale für die vorhandenen demokratischen Akteure vor Ort. Initiativen, Vereine und Organisationen können ihre Satzungen ändern, um Vereinnahmungsversuche von SiedlerInnen zu verhindern. Der Erfolg gegen Rechts ist um so wahrscheinlicher, je mehr die vorhandenen lokalen Akteure in eine gemeinsame Strategie eingebunden werden.

Weiterführende Informationen zum Thema:

Böll-Stiftung: Braune Ökologen: Hintergründe und Strukturen am Beispiel Mecklenburg-Vorpommerns

Vortrag Dr. Nils Franke: „Deutsche“ Landschaften – "Brauner Naturschutzbegriff – ökologische Bedrohungsszenarien" [als PDF lesen ]

www.taz.de/Oekobauern-gegen-Rechtsextremismus [als PDF lesen]

www.taz.de/Biolandchef-ueber-rechtsextreme-Bauern [als PDF lesen]


Im zweiten Teil des Treffens wurden die TeilnehmerInnen durch die grünen HaushaltspolitikerInnen über Fördermittel gegen Rechtsextremismus im nächsten Bundeshaushalt 2013 informiert. In diesem Jahr berichteten der Abgeordnete Sven-Christian Kindler (zuständig für den Etat des Bundesfamilienministeriums) und eine Mitarbeiterin der Abgeordneten Katja Dörner (zuständig für den Etat des Bundesinnenministeriums).  

Unsere grünen Ziele sind weiterführend. Wir wollen ein 50-Millionen-Programm gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit und Rechtsextremismus, eine Streichung der „Extremismusklausel“ und eine unbürokratischere und konstantere Förderung für Initiativen. Unsere Ziele sind in einem kürzlich eingereichten Antrag formuliert.