Demokratischer Konsens in Gefahr: Misstrauen gegen die Zivilgesellschaft statt Einheit gegen Rechtsextremismus

Bund-Länder-Europa Treffens gegen Rechtsextremismus


Das Bund-Länder-Europa-Treffen fand am 04.04.2011 von 12.30 bis 16.00 Uhr im Deutschen Bundestag statt. [Einladung lesen]

Bei diesem Treffen wurde der "Anti-Extremismusansatz" der Bundesregierung ausführlich diskutiert und in seinen politischen Facetten beleuchtet. Zu den Debattenaufhängern zählte die umstrittene "Extremismusklausel", bei der es um weit mehr geht als um eine Unterschrift zur Bestätigung der Grundgesetzestreue. Das Misstrauen in die Zivilgesellschaft, welches die Bundesregierung u.a. durch die Klausel zum Ausdruck bringt, greift die Basis des demokratischen Miteinanders an. Mehrere juristische Gutachten – mittlerweile drei – äußern mehr oder weniger starke Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Erklärung. Als "Glück im Unglück" ist zu verzeichnen, dass durch die Klausel der Bekanntheitsgrad der Bundesprogramme in der Bevölkerung von 4% auf 16% angewachsen ist und eine öffentliche Debatte um Konzepte zur Demokratiestärkung befördert wurde.

Einigkeit herrschte unter den grünen Teilnehmenden darin, dass eine unkritische Vermischung und Gleichsetzung von "Extremismusformen" die gesellschaftliche Realität falsch widerspiegelt und das hohe Gefahrenpotenzial rechtsextremer Menschenfeindlichkeit verharmlost. Bündnis 90/Die Grünen sollten sich deshalb keine rechtskonservativen Begrifflichkeiten und Scheindebatten aufzwingen lassen und dadurch unwillentlich am Aufbau eines irrealen Feindbildes "Linksextremismus" mitzuwirken. Vielmehr müssen die Demokratiedefizite der CDU/CSU in dem Verfahren rund um die Programme offengelegt und sachgerecht kritisiert werden. Denn die Auswirkungen sind bereits jetzt fatal: Immer mehr Initiativen sind verunsichert, ziehen sich aus der zivilgesellschaftlichen Arbeit zurück und stellen keine Förderanträge mehr, um der Nötigung durch die Klausel zu entgehen. Damit offenbart sich die vermeintliche Zielrichtung der CDU/CSU, die Demokratie zu schützen, als kontraproduktive Sackgasse.

Konsens war auch, dass grünes Engagement mit striktem Gewaltverzicht einhergeht und Gewalt jeglicher Art als Form der Auseinandersetzung ungeeignet ist. Das gilt selbstverständlich auch für Gewaltformen außerhalb des rechtsextremen Spektrums. Mit Blick auf die Opferperspektive muss jegliche Gewalt in gleichem Maße und ohne Relativierungen oder Bewertungsabstufungen verurteilt werden. Bei der Analyse gesamtgesellschaftlicher Gefährdungspotenziale kann und darf aber dennoch die  Ideologie, die der jeweiligen Gewaltausübung zugrunde liegt, nicht ausgeblendet werden. Von einer Vermengung zwischen völlig verschiedenen Gewaltphänomenen ist unbedingt abzusehen, weil hiervon irreführende Signale ausgehen.

Falsche Zeichen setzen ebenfalls die BefürworterInnen des Totalitarismus-Ansatzes, den beispielsweise Gauck zur Erklärung historischer Entwicklungen heranzieht. Referent Dr. Staffa kritisierte die zugrunde liegende Formel, die auf ein "Rot gleich Braun" hinausläuft und warnte vor einer gesellschaftlichen Anschlussfähigkeiten bei all jenen, die sich von der nationalsozialistischen Schuld lossagen wollen. Der Kommunismus, dessen Auswirkungen undifferenziert den Gräueln im Dritten Reich gleichgesetzt werden, soll hierfür als Rechtfertigung dienen. Eine Gegenthese zum üblichen Totalitarismusansatz könne zudem lauten: Kapitalismus ist totalitär, weil er in menschenverachtender Weise die Verdinglichung des Menschen vorantreibt und so eine freie Entfaltung unmöglich macht.


Information Kommunal-Wiki der Heinrich-Böll-Stiftung

Folgende gute Anregung wurde von Wolfgang Pohl in unsere Runde mitgebracht:
Die HBS hat ein Kommunal-Wiki eingerichtet, das die inhaltlich nicht mehr aktuelle Kommunalpolitische Infothek ablöst.
Das erneuerte Online-Informationsportal soll – ähnlich Wikipedia – ein "Netz-Ort" werden, bei dem viele mit eigenen Beiträgen ihr Wissen einbringen und teilen.

Das Kommunal-Wiki bietet grünen / grünnahen KommunalpolitikerInnen die Möglichkeit, sich zu vernetzen, gemeinsam online an Themen und Projekten zu arbeiten und ihr Engagement zu bündeln. Dabei können auch jüngere Menschen wieder verstärkt eingebunden werden.  

Das Kommunal-Wiki ist bereits online: http://kommunalwiki.boell.de.
Es verwendet dieselbe (Open-Source-)Plattform wie z.B. Wikipedia.
Konsequenterweise stehen alle Inhalte unter einer Creative-Commons-License, d.h. bei Nennung der Quelle und Beibehaltung der Lizenz dürfen die Inhalte überall frei weiterverwendet werden.

Als eines der ersten Themenfelder wurden im KommunalWiki Artikel zu
Stichworten rund um den "Rechtsextremismus" angelegt, die grundlegende
Informationen beinhalten, jedoch noch viel Raum für Ergänzungen bieten.
Vor allem Hinweise für die kommunalpolitische Praxis, aber auch
Verlinkungen wichtiger Quellen und Materialien sind sehr erwünscht.

Einen guten Einstieg bieten der Artikel "Rechtsextremismus"
(http://kommunalwiki.boell.de/index.php/Rechtsextremismus) und die
Kategorie "Rechtsextremismus"
(http://kommunalwiki.boell.de/index.php/Kategorie:Rechtsextremismus).