Das letzte Treffen grüner SportpolitikerInnen im Bundestag am 28.11. war geprägt von zwei sehr unterschiedlichen aktuellen Themen: Zum einen ging es um die Bedingungen für Olympische Spiele in der Welt und in Deutschland, zum anderen bot das vermeintlich neue Bündnis von Neonazis und Hooligans "HoGeSa" Anlass für eine spannende Diskussion.
Zur Olympiadiskussion hatten wir einen Gast, der sowohl Einblick in die grüne Parteiseele hat als auch prägend für die sportpolitische Diskussion derzeit ist: Michael Vesper, Gründungsmitglied der Grünen, ehemaliger Landesminister in Nordrhein-Westfalen und derzeitiger Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB).
Michael Vesper setzte drei Schwerpunkte. Zunächst ging es ihm darum, die Reform des Sports auf internationaler Ebene darzustellen. Wenige Tage bevor in Monte Carlo Thomas Bach als Präsident des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) die "Olympic Agenda 2020" durchwinken sollte, hat Vesper noch einmal deutlich gemacht, dass die Initiative von vier Nationalen Olympischen Komitees ausging. Gemeinsam mit der Schweiz, Schweden und Österreich hat der DOSB in diesem Jahr Vorschläge skizziert, wie sich das IOC verändern müsste, um die Attraktivität Olympischer Spiele zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Denn in jüngster Vergangenheit hat das IOC einen massiven Imageschaden erlitten. Die TeilnehmerInnen waren sich einig: Der Sport steckt international in einer Glaubwürdigkeitskrise.
Spätestens die Winterspiele von Sotschi haben die sportpolitischen Akteure zu einem Umdenken bewegt. Ein weiterer Faktor ist die Tatsache, dass während in autokratischen Ländern Spiele auf Kosten von Mensch und Natur durchgedrückt werden können, sich demokratische Länder die Spiele nicht mehr leisten wollen. Die Entscheidungen von München gegen Olympia 2018 und jüngst auch gegen eine Austragung im Jahre 2022, die Ablehnung Krakaus aufgrund einer überwältigenden Ablehnung in der Bevölkerung sowie der Rückzug Oslos aus dem Rennen für 2022 sprechen eine klare Sprache: Olympia ist unter diesen Umständen nicht mehr attraktiv.
Umso spannender war die Diskussion beim Bund-Länder-Treffen – saßen sich mit Michael Vesper und Katharina Schulze doch zwei ehemals rivalisierende Lager gegenüber: die heutige sportpolitische Sprecherin der grünen Fraktion im bayrischen Landtag war vor ihrer Zeit als Abgeordnete Presseprecherin des NOlympia-Bündnisses 2018.
Als Gegenargument zu den kritisierten Spielen von Sotschi dienten Vesper die Olympischen Sommerspiele von London im Jahre 2012. Diese hätten gezeigt, dass es durchaus möglich ist, Olympia in einer "westlichen Demokratie" zu veranstalten. Auch die Kostenfrage sei hier besser gelöst worden.
Es ist nun am IOC, das seine Reformen mittlerweile beschlossen hat, zu zeigen, dass der Veränderungswille ernst gemeint ist. Es soll auch ein deutliches Zeichen gegen Diskriminierung gesetzt werden. In Sotschi noch war die Unterdrückung von LGBTI ein großes Thema gewesen.
Der zweite Schwerpunkt in Michael Vespers Ausführungen war eine mögliche deutsche Olympiabewerbung. Spätestens am 15. März 2015 wird der DOSB entschieden haben, ob sich Berlin oder Hamburg beim IOC für die Spiele bewerben wird. Klar muss sein: Die Versprechungen der nachhaltigen, bescheidenen Spiele, die sowohl Berlin als auch Hamburg gemacht haben, müssen sich erfüllen.
Einen Einblick in die Strukturen des organisierten Sports in Deutschland gewährte uns Michael Vesper auch noch, als er die anstehenden Reformen des DOSB erläuterte. So soll es in Zukunft eine Frauenquote innerhalb des DOSB geben: 30% der Ämter sollen durch Frauen übernommen werden, 30% durch Männer. Die restlichen 40% sind frei von jeder Quotierung. Ab sofort wird Vesper auch nicht mehr "Generaldirektor" heißen, sondern das Amt des Vorstandsvorsitzenden bekleiden.
Auch das geplante Antidoping-Gesetz der Bundesregierung wurde lebhaft diskutiert. Wie mein Kollege Özcan Mutlu ausführte, soll im nächsten Jahr ein Gesetz vorliegen, das es erlaubt, gedopte SportlerInnen auch strafrechtlich zu belangen. Das ist aus verschiedenen Gründen hoch problematisch, allein schon weil das Sportrecht völlig andere Datenschutzregeln besitzt.
Den Abschluss des Treffens bildete eine Diskussion über das vermeintlich neue Bündnis von Hooligans und Neonazis. Besonders die Demonstrationen des Bündnisses "Hooligans gegen Salafisten" (HoGeSa) im Oktober und November in Köln und Hannover haben sportpolitisch für Aufsehen gesorgt. Die Bilder der Gewalt sind mir noch immer präsent.
Als Gast war dazu David Begrich eingeladen. Er arbeitet bei Miteinander e.V., einem Verein zur Demokratieförderung aus Sachsen-Anhalt. Begrich berichtete über die soziokulturellen Zusammenhänge von HoGeSa wie von Pegida. Er zeigte anhand verschiedener Schaubilder auch ganz deutlich auf, wie stark durchsetzt die HoGeSa-Demo von Neonazis war und berichtete von den Mechanismen innerhalb der Szene.
Auch dass es innerhalb der Pegida einen bedeutenden rechtsextremistischen Einfluss gibt, konnte Begrich belegen. Die Verbindung zum Sport bzw. zum Fußball sei hier zudem offensichtlich: "Der Neonazismus im Osten ist in den 1980er Jahren im Fußballstadion entstanden."
Die Antwort hierauf kann natürlich nicht sein, jetzt mit einem noch größeren Sicherheitsapparat aufzuwarten. Es geht vielmehr darum, in Prävention zu investieren und sicherzustellen, dass der Rechtsextremismus nicht noch weiter Fuß fasst. Darin herrschte große Einigkeit beim Bund-Länder-Treffen. Das von David Begrich skizzierte Profil der TeilnehmerInnen der Demo in Köln passt zur Einschätzung anderer ExpertInnen: HoGeSa speist sich aus verschiedenen, männlich dominierten Gruppen im Alter zwischen 35 und 50 Jahren. Wichtig aus sportpolitischer Sicht ist hierbei jedoch, das fein unterschieden werde zwischen den gewaltbereiten Hooligans und den jüngeren, gewaltfreien Ultras. Leider wird dies auch seitens der Politik sehr wenig berücksichtigt.
Anders stellt sich die Lage bei Pegida dar: Die selbsternannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" haben einen bürgerlichen Anstrich. Der fortschreitende Anstieg der Zahlen und die diversen Ableger in anderen Städten zeigen aber: Erstens ist "Pegida" nicht ausschließlich ein Phänomen des Sports, und zweitens braucht es hier endlich Antworten auf die aufgeworfenen Fragen und einen entsprechenden Gegenentwurf zu dumpfen Parolen gegen Muslime, Flüchtlinge und andere Gruppen innerhalb unserer Gesellschaft.