Gerade angesichts der Herausforderungen in einer globalisierten Welt darf dieser Fokus nicht verloren gehen und muss die menschenrechtsorientierte Richtschnur auch bei politischen Entscheidungen bleiben.
Am 25.5. war ich bei der „Parlamentarischen Nacht“ der grünen Bundestagsfraktion zum Katholikentag. Dort bot ich einen Thementisch mit dem Titel „Nächstenliebe ohne Grenzen – Verantwortung der Kirchen gegen Rassismus“ an. Ich finde es unerlässlich, alle gesellschaftlichen Ebenen einzubinden, wenn es darum geht, Diskriminierung und Rassismus zurückzudrängen. Die Kirchen sind hierbei wichtige Partner.
Am 27.5. nahm ich teil an der bestens besuchten Podiumsdiskussion „Einer helfe dem anderen! Oder: Rette sich, wer kann? Herausforderung Flüchtlinge“. Organisiert wurde sie von der Zeitschrift Publik-Forum. Gemeinsam mit mir diskutierten: Sonja Brogiato vom Flüchtlingsrat Leipzig, Frank Richter von der Landeszentrale für politische Bildung Sachsen, Bundestagspräsident a.D. Wolfgang Thierse und der ungarische Theologe und Flüchtlingshelfer János Wildmann.
Frau Brogiato schilderte die Situation von Geflüchteten in Leipzig. Herr Thierse lobte die antirassistischen Proteste. Herr Richter erklärte, warum er es nötig findet, auch mit Menschen zu diskutieren, die rassistische Ressentiments vertreten. Ich bin ebenfalls der Meinung, dass der Dialog nicht von vornherein blockiert werden darf. Allerdings ziehe ich die Grenze schneller als Herr Richter, nämlich dort, wo dem Rassismus unkritisch eine Bühne geboten wird und damit derlei Positionen Aufwertung erfahren. Am Rande von Anti-Legida-Demonstrationen, in meinem Bürgerbüro oder in Briefwechseln diskutiere ich gern mit BürgerInnen, solange sie einem demokratischen Diskurs zugänglich sind. Dabei kann ich auch abweichende Meinungen stehenlassen. Es gehört zum Wert der Demokratie, eine politische Streitkultur zuzulassen – auch wenn es sich mitunter unbequem anfühlt. Manchmal beklagen sich Menschen aus dem „rechtspopulistischen Spektrum“ bei mir, dass man seine Meinung nicht sagen dürfe. Dem entgegne ich, sie hätten hier Meinungs- und Demonstrationsfreiheit, dies gelte aber genauso für ihre politischen GegnerInnen. Solchen Gegenwind müssten wir alle aushalten.
Herr Wildmann berichtete von seiner Flüchtlingshilfe in Ungarn, wie schwer es Geflüchtete dort haben. Leider verhält sich nicht nur der ungarische Staat sehr repressiv, sondern auch die Kirchen versagen vielfach. So habe er Bischöfe predigen hören, dass die Flüchtlinge nicht nach Ungarn gehörten. Herr Wildmann appellierte an die europäischen Länder, Geflüchtete in Ungarn zu unterstützen und Menschenrechtsverletzungen anzuprangern.
In der Diskussion mit dem Publikum wurde das Thema Fluchtursachen angesprochen. Herr Thierse wies darauf hin, dass viele Deutsche mit einer Billigkonsum-Mentalität zur Ausbeutung und Verelendung in anderen Ländern beitragen und umdenken müssen. Ich finde einen ausschließlich individuellen Ansatz ungenügend und ergänzte, wie groß die Verantwortung der deutschen Politik ist. So spielen die zahlreichen Waffenexporte, die zu geringe Entwicklungshilfe oder militärische Auslandseinsätze eine Rolle dabei, Menschen in vielen Ländern die Sicherheit und Lebensgrundlage zu entziehen.
Zur dritten Veranstaltung am 28.5. hatte mich die altkatholische Gemeinde eingeladen. Diese liberalere Abspaltung der Katholiken ist u.a. dadurch gekennzeichnet, dass Priester heiraten und Frauen ordiniert werden dürfen.
Die Einladung war innerhalb der altkatholischen Community verbreitet worden, so dass wir in einer kleineren, aber engagierten Runde diskutierten. Der Titel lautete: „Zwischen Angst und Solidarität. Fragen und Perspektiven zum Umgang mit Flüchtlingen und Fremden“. Neben mir wirkten als Podiumsgäste mit: der Jesuit und Seelsorger in der Abschiebungshaft Felix Polten und Idil Efe von der Bürgerstiftung Neukölln. Diese beiden Podiumsgäste kamen aus Berlin, ebenso wie der Moderator, Pfarrer Ulf-Martin Schmidt.
Schnell ging es um das Thema Rassismus. Alle hatten damit Erfahrungen im eigenen Umfeld gemacht, bei Familienfesten, im Freundeskreis, auf Arbeit. Ich hatte dazu aus Sachsen leider ziemlich viel Unschönes zu berichten. Besonders fatal wirkt es sich oft aus, wenn institutioneller Rassismus zutage tritt. Dies hat Herr Polten auch aus einer Einrichtung für Abschiebungshaft in Eisenhüttenstadt berichtet, wo Geflüchtete der Willkür von Angestellten ausgesetzt sind.
Auch Idil Efe hat einschlägige Erfahrungen. Obwohl sie hier geboren, bestens ausgebildet und beruflich etabliert ist, wird sie immer wieder auf ihren Migrationshintergrund reduziert und abgewertet. Das gleiche gilt für ihre Klientel in der Migrantenselbstorganisation, die sie mit ihrem Engagement in Neukölln stärkt. Das Publikum kannte ebenfalls typische Beispiele. Ein Bonner führte an, dass selbst der dortige Oberbürgermeister Sridharan, obwohl in Deutschland geboren und aufgewachsen, aufgrund indischer Wurzeln oft nur als „Ausländer“ etikettiert wird.
Einigkeit herrschte darüber, dass mehr Sensibilisierung nötig ist. Man muss früh mit guter Bildung dazu beitragen, die Kompetenzen im Umgang mit Vielfalt zu fördern.
Link zum Bericht über die Parlamentarische Nacht der grünen Bundestagsfraktion auf dem Katholikentag:
www.gruene-bundestag.de/themen/religion/grenzen-ueberwinden-27-05-2016.html