Nein heißt Nein – 10 Jahre Gewaltschutzgesetz

Veranstaltungsbericht, 06.02.2012

Fachgespräch Häusliche und sexuelle Gewalt, 10 Jahre nach Verabschiedung des Gewaltschutzgesetzes

25.01.2012, Bundestagsfraktion Bündnis90/Die Grünen

Ist das Thema häusliche Gewalt auch 10 Jahre nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Verbesserung des zivilgerichtlichen Schutzes bei Gewalttaten und Nachstellungen noch ein Schwerpunkt feministischer Diskussionen oder werden in der Öffentlichkeit nur Vergewaltigungsmythen bedient?

In ihrer Begrüßung betonte die Fraktionsvorsitzende Renate Künast die täglich entstehende Menschenrechtsverletzung an Frauen durch häusliche und sexuelle Gewalt. Die Ächtung von Gewalt in unserer Gesellschaft wurde durch das Gewaltschutzgesetz maßgeblich voran getrieben. "Wer schlägt, muss gehen"  war eine wegweisende Positionierung der Politik im Umgang mit häuslicher Gewalt.

Vorbild war vor zehn Jahren die Gesetzgebung in Österreich. Mit dem Rückenwind der Entwicklungen in der EU wurde auch in Deutschland immer mehr über häusliche Gewalt gesprochen. Frauen aller im Bundestag vertretenen Fraktion haben für das Gewaltschutzgesetz gekämpft, so dass es 2002 gemeinschaftlich verabschiedet werden konnte. Irmingard Schewe-Gerigk MdB a.D. berichtete von den damaligen gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen und dem Paradigmenwechsel durch das Gesetz. Häusliche Gewalt wurde öffentlich gemacht und als Zuständigkeit aller die davon Zeuge/ Zeugin werden gesehen.

Die Hoffnung, dass die Frauenhäuser zukünftig deutlich weniger Frauen aufnehmen müssen, hat sich bis heute leider nicht erfüllt. Dies bestätigte auch Katja Grieger vom Bundeverband Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe. Die Frauen nutzen das heute etablierte Recht, so dass die Zahl der gemeldeten Fälle gestiegen und die Dunkelziffer erhellt ist. Jedoch benötigt jede Frau in einer Gewaltsituation ein anderes, für sie passendes Angebot, so dass Frauenhäuser nach wie vor in Phasen der Entscheidungsfindung gebraucht werden.

In der Beratungsarbeit zeigt sich der Paradigmenwechsel durch die stärkere Kooperation von Beratungsstellen, Verwaltung und Polizei. Auch für die Polizei ist das Gewaltschutzgesetz eine Erfolgsstory. Kriminalhauptkommissarin Heike Lütgert zeigte auf, wie sich die Praxis der Polizei durch das Gesetz verändert hat, welche zusätzlichen Angebote geschaffen wurden und warum Öffentlichkeitsarbeit und Fortbildungen für alle einbezogenen Instanzen nachwievor wichtig sind. Durch die Umsetzung der Gefährdeansprache, der Verfolgung und Ansprache der Täter, werden die Frauen nach der Tat nicht allein gelassen und deutlich seltener Opfer von Tötungsdelikten.

Mythen in unserer Gesellschaft, in den Medien und auf der Straße

2011 war das Jahr der spektakulären Gerichtsverfahren wegen Vergewaltigungsvorwürfen gegen prominente Männer – und der reißerischen Medienberichterstattung. 2011 war auch das Jahr der Slutwalks. Überwiegend junge AktivistInnen demonstrierten weltweit mit dem Slogan "Nein heißt Nein" gegen Vergewaltigungsmythen und für sexuelle Selbstbestimmung.

Ester Lehnert, Leiterin des LARA Krisen- und Beratungszentrum, schilderte gängige Vergewaltigungsmythen von jungen, hübschen Frauen, die bekleidet mit einem Minirock im dunkelen Park von einem Fremden vergewaltigt werden. Fakt ist, dass Vergewaltigungen überwiegend im sozialen Nahraum passieren, doch dies entspricht nicht dem Bild in den Köpfen und führt zur Bewertung des Falls und des Verhaltens der Frau darin.

Medien übernehmen dabei eine große Verantwortung. Simone Schmollack, Redakteurin bei der taz, ging darauf ein, dass diverse Medien nicht objektiv berichten, sondern sich parteilich verhalten. Das gesamte Thema gerät dadurch in eine Schieflage. Sachliche Diskussion sind nicht möglich, es geht ausschließlich um die "Story". Dabei ist es besonders wichtig, nicht die Mythen zu bedienen, sondern mit Zahlen und Fakten aus Forschung und Polizeiberichten zu arbeiten und dies in den Mittelpunkt der Reportage zu stellen.

Larissa Röhl und Cathrin Reinermann vom OrganisatorInnen-Team Slutwalk Münster wollen mit  Demonstrationen gegen die Mythen und Stigmatisierung der Opfer vorgehen. Sie fordern auf institutioneller Ebene Fortbildungen für alle angrenzenden Instanzen. Auf gesellschaftlicher Ebene kann der Slutwalk sensibilisieren, Frauen Mut machen und sich mit ihnen solidarisieren.

Monika Lazar, Sprecherin für Frauenpolitik, bedankte sich bei alle Gästen für ihren Einsatz gegen Gewalt an Frauen und die Anregungen und Vorschläge aus dem Fachgespräch. Diese werden in die Arbeit der grünen Bundestagsfraktion einfließen, die sich fortwährend gegen Gewalt an Frauen sowie für einer flächendeckende Infrastruktur von Hilfeeinrichtungen einsetzen wird.


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