Neonazi-Anwalt die Zulassung entziehen?
Delmenhorst: Hotel-Verkauf. Politiker fordern, den als rechtsextrem
eingestuften Juristen Jürgen Rieger zu überprüfen. Aber die Schwelle
zum Eingreifen ist hoch.
Von Laura-Lena Förster
Hamburg/Delmenhorst -
In
der Diskussion um eine mögliche Übernahme des Hotels am Stadtpark in
Delmenhorst durch den als rechtsextrem eingestuften Hamburger
Rechtsanwalt Jürgen Rieger fordern jetzt Politiker, Riegers Zulassung
bei der Rechtsanwaltskammer Hamburg zu überprüfen. "In der Satzung der
Anwaltskammer gibt es einen Passus, wonach sich die Mitglieder zu einer
verfassungsrechtlichen Ordnung bekennen müssen", sagte
SDP-Bundestagsabgeordneter Hans-Ulrich Klose dem Abendblatt. "Die
Anwaltskammer sollte überprüfen, ob Herr Rieger dies durch sein
Verhalten tatsächlich tut."
Nach
Auskunft von Hartmut Scharmer, Geschäftsführer der Hanseatischen
Rechtsanwaltskammer Hamburg, könne ein Anwalt nur dann seine Zulassung
verlieren, wenn er wegen eines Verbrechens - beispielsweise Mord,
Meineid oder Raub - rechtskräftig verurteilt werde und das Gericht ihm
deshalb die bürgerlichen Ehrenrechte aberkenne. Das heißt die
Fähigkeit, öffentliche Ämter bekleiden zu dürfen. "Und genau das muss
im Strafurteil stehen", sagte Scharmer dem Abendblatt. Wird ein solches
Urteil gefällt, informiert das zuständige Gericht in der Regel die
Anwaltskammer.
"Die
Eingriffsschwelle ist bewusst hoch gelegt", sagt Kammerpräsident Axel
C. Filges. "Die Unabhängigkeit der Advokatur ist ein hohes Gut. Im
Einzelfall können Entscheidungen zu Unverständnis in der Öffentlichkeit
führen." Die Anwaltschaft müsse, wie jede andere Berufsgruppe auch,
damit leben, dass es Berufsangehörige gebe, die möglicherweise die
anwaltlichen Grundwerte anders verstehen und andere politische
Auffassungen haben als die Mehrheit der Berufsangehörigen.
Jürgen
Rieger begann 1975 seine Tätigkeit als Rechtsanwalt. "Die Zulassung war
damals noch staatlich", sagt Scharmer. "Sie wurde von der Justizbehörde
und nicht, wie heute, von der Anwaltskammer vergeben."
Rieger
war schon früh aktiv. 1974 wurde er wegen Volksverhetzung und schwerer
Körperverletzung angeklagt, jedoch wieder freigesprochen. Im selben
Jahr stand er wieder vor Gericht: Im Zusammenhang mit einer
Demonstration der rechtsextremen "Aktion Widerstand" wurde er wegen
Körperverletzung zu einer Geldstrafe von 3500 Mark (ungefähr 1750 Euro)
verurteilt.
"Wenn
man etwas gegen Rieger finden will, kann man es auch finden", sagt
Monika Lazar, grüne Bundestagsabgeordnete und Sprecherin für Strategien
gegen Rechtsextremismus. "Keine Anwaltskammer sollte Verfassungsfeinde
in ihren Reihen dulden. Allerdings: Wo kein Kläger, da auch kein
Richter." Sie erwägt nun, die Anwaltskammer selbst anzuschreiben. Nach
Auskunft von Scharmer kann dies jeder, "das gesetzliche Verfahren
ändert sich dadurch aber nicht".
Der
Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele riet zu Zurückhaltung, auch
wenn das Treiben Riegers unerträglich sei. "Der Schutz für
Rechtsanwälte ist nicht hoch genug einzuschätzen."
erschienen am 19. August 2006 unter www.abendblatt.de Weitere Artikel zum Thema:
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