Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Irene Mihalic, Dr. Konstantin von Notz, Monika Lazar, weiterer Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
– Drucksache 19/7245 –
Die unter dem Stichwort „NSU 2.0“ bekannt gewordenen Vorkommnisse bei der Frankfurter Polizei (vgl. www.hessenschau.de, Sechster Beamter im Frankfurter Polizei-Skandal suspendiert, 19. Dezember 2018), in deren Rahmen mindestens sechs Beamtinnen und Beamte unter Verdacht stehen, rechtsextremistisch zu sein, und sich volksverhetzend in Chatverläufen geäußert zu haben, sowie die erneute Verwendung nicht allgemein bekannter Daten in einem weiteren Drohbrief (www.sueddeutsche.de, Rechte bedrohen erneut Frankfurter Anwältin, 14. Januar 2019) und ein weiterer Verdachtsfall in Hessen (www.sueddeutsche. de, Neuer Fall von rechten Umtrieben bei der hessischen Polizei, 10. Januar 2019) werfen die Frage auf, ob nach Kenntnis der Bundesregierung auch andere Polizeidienststellen der Länder oder des Bundes und/oder der Zoll von entsprechenden Vorgängen betroffen sind. Bekannt wurde der Fall in Frankfurt am Main, nachdem Ermittlungen zu einem Drohschreiben, welches an eine Anwältin von Nebenklägern im NSU-Prozess versendet worden war, zu einer Verdächtigen in den eigenen Reihen der Frankfurter Polizei geführt hatte (vgl. WELT.DE, Polizisten sollen mit Ermordung von Zweijähriger gedroht haben, 15. Dezember 2018; FAZ.NET, Polizisten wegen rechtsextremer Inhalte im Visier, 10. Dezember 2018).
Meldungen zu rechten Netzwerken in deutschen Sicherheitsbehörden haben sich in den letzten Monaten gehäuft (vgl. taz, 21. Dezember 2018 „Hannibals Verein“), so dass sich Fragen nach dem Problembewusstsein und der Strategie der Bundesregierung bei diesem zentralen Thema der inneren Sicherheit stellen.
1. Wurden gegen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls seit 2016 mit Bezug zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen Straf- und/oder Disziplinarverfahren eingeleitet (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)?
2. Sind der Bundesregierung aus den letzten drei Jahren Übermittlungsmitteilungen an den Dienstherren zu strafrechtlichen Verfahren gegen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls mit Bezug zu rechtsextremen Verbindungen, Strukturen oder Überzeugungen bekannt (gegebenenfalls bitte jeweils nach Straftatbeständen und Jahren aufschlüsseln)?
3. Wie hat sich die bei der Servicestelle des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat geführte Jahresstatistik über die Anzahl der abgeschlossenen Disziplinarverfahren seit 2015 entwickelt (vgl. Bundestagsdrucksache 18/5492, Seite 4 unten und Seite 5 oben)?
4. Sind der Bundesregierung Fälle bekannt, in denen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls die Mitgliedschaft in einer rechtsextremen Organisation vorgeworfen wurde (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)?
5. Sind der Bundesregierung aus den letzten drei Jahren weitere Fälle bekannt, in denen Beschäftigte der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls seit 2016 im Verdacht standen, Verbindungen zu rechtsextremen Strukturen zu haben oder rechtsextreme Überzeugungen zu teilen, und inwiefern handelt es sich dabei um Fälle, in denen kein Straf- und/oder Disziplinarverfahren eingeleitet worden ist (gegebenenfalls bitte soweit möglich nach Eingang, Ereignisort und Ergebnis aufschlüsseln)?
6. Wie bewertet die Bundesregierung auch mit Blick auf die mutmaßliche Chat- Kommunikation im Fall von Martina H. und Carsten M. (www.sueddeutsche. de, a. a. O.) die Möglichkeit, dass rechte Netzwerke oft Zugänge zur Polizei und darüber auch zu polizeilichen Daten haben könnten?
7. Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung des Vorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei Oliver Malchow (Passauer Neue Presse, 19. Dezember 2018, „Heimliche Radikalisierung auch in Reihen der Polizei“), der zur Frage der Anfälligkeit der Polizei für rechtsextremistische Tendenzen gesagt hat, dass „zu prüfen wäre“, „ob man bei der Wertevermittlung in der Ausund Fortbildung noch etwas verbessern könne“, da es dort „womöglich“ noch mehr zu tun gebe?
8. Wie bewertet die Bundesregierung die Äußerung des Kriminologen Rafael Behr (SPIEGEL ONLINE, 18. Dezember 2018, Extremismus in der Polizei) zur problematischen Wirkung von Chatgruppen unter Polizistinnen und Polizisten, die die Radikalisierung von Beamtinnen und Beamten bei Vorhandensein extremer Orientierungen noch befeuern würden?
9. Werden innerhalb der Bundespolizei, des Bundeskriminalamts oder des Zolls Chatgruppen für dienstliche Zwecke genutzt, und falls ja,
a) auf wessen Veranlassung, in welchem organisatorischem Rahmen und zu welchen konkreten Zwecken,
b) werden diese Chatgruppen moderiert, und falls ja, durch wen, und
c) welcher Anbieter wird hierfür verwendet, und wer wählt diesen aus?
10. Gibt es Vorgaben zur Zulässigkeit und zum Umgang mit Chatprogrammen auf dienstlich zur Verfügung gestellten mobilen Endgeräten?
11. Hat die Bundesregierung sich ggf. nach den Vorkommnissen von Frankfurt einen Überblick über Vorkommnisse im Kontext Extremismus bei den Polizeibehörden der Länder verschaffen können, und wenn ja, mit welchem Ergebnis?
12. Plant die Bundesregierung, sich zukünftig einen vertieften Überblick über Disziplinar- und Strafverfahren im Kontext mit Extremismus bei Polizeibehörden der Länder zu verschaffen?
13. Wird sich die Bundesregierung auf Ebene der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder dafür einsetzen, eine Bund-Länder- Statistik zu Disziplinarverfahren bei den Polizeibehörden mit Extremismus- Bezug einzuführen, und a) wenn nein, warum nicht, und b) wenn ja, inwiefern schließt das auch die Erarbeitung einheitlicher Erfassungskriterien und eines entsprechenden Meldewesens sein?
14. Wie geht die Bundesregierung mit der Möglichkeit um, dass bisher fehlende Erkenntnisse in diesem Bereich auch die Folge einer unzureichenden Erfassungspraxis sein können?
15. Wurden im GETZ (Gemeinsames Extremismus- und Terrorismusabwehrzentrum) und im GTAZ (Gemeinsames Terrorismusabwehrzentrum) bereits Fälle aufgerufen, bei denen Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen von Sicherheitsbehörden im Fokus der Beobachtung standen, und wenn ja, wie oft (bitte ggf. tabellarische Aufführung der Fälle seit Bestand von GTAZ und GETZ vorlegen)?