Antrag der Abgeordneten Claudia Roth (Augsburg), Tom Koenigs, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), Monika Lazar, Ingrid Hönlinger, Friedrich Ostendorff, Agnes Krumwiede, Tabea Rößner, Ekin Deligöz, Katja Dörner, Kai Gehring, Krista Sager, Ulrich Schneider, Memet Kilic und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
Der Bundestag wolle beschließen:
I. Der Deutsche Bundestag stellt fest:
Die Expertenanhörung zum Thema Aufarbeitung der NS-Vergangenheit von Bundesministerien und Behörden, die der Ausschuss für Kultur und Medien gemäß der Anträge Bundestagsdrucksachen 17/6297, 17/6318, 17/4696 und 17/3748 durchführte, brachte zur Sprache, welche Mühen nötig waren, um nach der NS-Zeit die Demokratie in der Bundesrepublik zu etablieren. Wichtige Anstöße zur Thematisierung und demokratischen Aufarbeitung der NS-Zeit kamen aus der kritischen Öffentlichkeit und von einzelnen Vertreter der Justiz und gerade nicht von Bürokratien in Ministerien und Behörden, die durch große personelle Kontinuitäten gekennzeichnet waren.
Auslöser der aktuellen parlamentarischen Behandlung der Frage war die vom damaligen Bundesaußenminister Joschka Fischer initiierte Studie zur Vergangenheit des Auswärtigen Amtes, die 2010 unter dem Titel „Das Amt und die Vergangenheit: Deutsche Diplomaten im Dritten Reich und in der Bundesrepublik“ veröffentlicht wurde. Die Studie verdeutlichte schlaglichtartig, wie viel Arbeit bei der Aufarbeitung der NS-Vergangenheit und der Kontinuitäten und Brüche in Ministerien und Behörden auch heute noch zu leisten ist. Seit der Veröffentlichung der Studie hat die laufende Forschung zudem dramatische Fälle aufgedeckt: Etwa die frühe Kenntnis des Aufenthaltsortes von Adolf Eichmann, die der Bundesnachrichtendienst bzw. seine Vorläuferorganisation hatte, ohne etwas zur Ergreifung von Eichmann zu unternehmen. Oder den Fall von Klaus Barbie, des sogenannten „Schlächters von Lyon“, der sogar als BND-Mitarbeiter fungierte (vgl. den Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Umgang des Bundesnachrichtendienstes mit den Fällen Klaus Barbie und Adolf Eichmann und zur Verantwortlichkeit der Bundesregierung, BT-Drs. 17/4586).
Nicht zuletzt solche Forschungsergebnisse zeigen, dass ein systematisches und koordiniertes Vorgehen bei der Aufarbeitung der Geschichte der Ministerien und Behörden dringend nötig ist. Als Grundlage und Orientierung hierfür benötigen Parlament und Bundesregierung eine Bestandsaufnahme zur Forschungslage. Diese soll einen Überblick über die laufenden und abgeschlossenen Einzel- und Querschnittsforschungen sowie über biographische und institutionengeschichtliche Fragestellungen und Ergebnisse liefern. Gleichzeitig soll sie einen Überblick über die noch zu schließenden Lücken bei der weiteren Erforschung der institutionellen und personellen Kontinuitäten und Brüche mit Blick auf die NS-Vergangenheit von Behörden und Ministerien liefern. Die Antworten der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (BT-Drs. 17/4344) zur Vorgeschichte von Bundesministerien, Botschaften und Obersten Bundesbehörden in der NS-Zeit reichen hier keinesfalls aus. Wir brauchen eine umfassende Aufarbeitung und Kenntnisnahme des Forschungsstandes und der relevanten Forschungsperspektiven auf diesem Feld. Das ist auch von großer Bedeutung für die demokratische Selbstvergewisserung unserer staatlichen Institutionen. Zur Unterstützung der Forschungsarbeit sollte die von Wissenschaftlern angemahnte Erleichterung des Zugangs zu den Archiven von Ministerien und Behörden gewährleistet werden (vgl. die Kleine Anfrage Bundestagsdrucksache 17/4339 der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN). ...
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