Nein zu Patriots an der syrisch-türkischen Grenze!

Persönliche Erklärung gemäß § 31 GO-BT, 14.12.2012

Erklärung von Hans-Christian Ströbele und Monika Lazar zur Abstimmung über das Mandat zur Entsendung deutscher Streitkräfte zur Verstärkung der integrierten Luftverteidigung der NATO auf Ersuchen der Türkei, Bundestags-Drs. 17/11783.

Bei der heutigen Abstimmung im deutschen Bundestag über das Mandat zur Stationierung deutscher Raketenabwehrsysteme vom Typ Patriot haben Hans-Christian Ströbele und Monika Lazar mit „Nein“ gestimmt.

Auch wenn der NATO-Partner Türkei die Stationierung des Raketenabwehrsystems Patriot der Bundeswehr wünscht, muss Deutschland unabhängig prüfen und entscheiden, ob es diesem Wunsch nachkommt. Nutzen und Risiken müssen abgewogen werden, insbesondere, ob diese Raketen zum Schutz des Nato-Partners vor Gefahren, die ihm aus Syrien drohen, wirklich notwendig und geeignet sind und die Stationierung nicht die Gefahr einer Eskalation des Bürgerkrieges erhöht, in die die Bundeswehr hineingezogen werden kann.

Die Patriot-Raketen Systeme haben die besondere Fähigkeit, angreifende Raketen und militärische Flugzeuge abzufangen.
Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die syrische Luftwaffe oder syrische Raketen Ziele im türkischen Hoheitsgebiet angreifen könnten, sind nicht bekannt. Auch für eine militärische Bedrohung der Türkei durch Chemiewaffen von Syrien aus fehlen bisher konkrete Belege. Das Assad-Regime kann daran kein Interesse haben und Rebellengruppen in Syrien, die ja angeblich kurz vor einem Sieg stehen sollen, auch nicht. Die Patriot-Raketen-Systeme sind zur Abwehr von Mörsergeschossen, wie sie von syrischem Gebiet aus in türkische Dörfer geschossen worden sind, ungeeignet.

Aber die Gefahr einer militärischen Eskalation durch ein Eingreifen der Türkei in den syrischen Bürgerkrieg, in die die Bundeswehr hineingezogen werden könnte, besteht. Der türkische Ministerpräsident hat sich in letzter Zeit immer wieder auch öffentlich für die Einrichtung von Flugverbotszonen und Schutzzonen eingesetzt. Dies ist gegen den Willen der syrischen Regierung nur mit Einsatz militärischer Mittel möglich. Darüber hinaus sieht sich die türkische Seite durch die inzwischen erfolgte Einrichtung autonomer kurdischer Gebiete in Syrien an der türkischen Grenze bedroht und beunruhigt.

Die Verwicklung der Bundeswehr in eine militärische Auseinandersetzung wird durch das Mandat für den Bundeswehreinsatz nicht beseitigt. Dort wird lediglich der defensive Auftrag betont und ausgeschlossen, dass die Raketen zur „Einrichtung“ einer Flugverbotszone eingesetzt werden. Wenn es im Rahmen eines militärischen Versuchs zur Einrichtung von Flugverbots- oder Schutzzonen durch die türkische Armee und anderer Verbündeter oder zur Intervention in kurdische Gebiete Syriens kommen sollte, könnten die Raketen der Bundeswehr gleichwohl zur Bekämpfung der modernen, gut ausgerüsteten syrischen Luftwaffe, die mit Flugzeugen und Raketen solche Interventionen in syrisches Gebiet abzuwehren versucht, herangezogen werden. Die deutschen Soldaten wären dann im Krieg.

Die jetzt geplante Stationierung der Raketen der Bundeswehr bis zu 100 km von der türkisch-syrischen Grenze entfernt schließt deren Einsatz auch grenznäher nicht aus. Die Patriot-Raketen sind leicht bewegliche Raketensysteme. Sie sind auf schwere LKWs montiert und werden von dort aus eingesetzt. Die Ortsverlegung in kurzer Zeit ist ohne weiteres möglich.
Statt weiter auf Drohgebärden zu setzen, sollten deeskalierende Maßnahmen eingeleitet werden. Deutschland sollte vor allem umfassender bei der Aufnahme und Unterstützung von syrischen Flüchtlingen helfen – auch durch eine unbürokratische schnelle Aufnahme von Flüchtlingen im Bundesgebiet.