Zur Abstimmung über Beteiligung deutscher Streitkräfte an der Operation Atalanta

Persönliche Erklärung gemäß § 31 GO-BT, 16.05.2013

Erklärung zur Abstimmung
von Hans-Christian Ströbele und Monika Lazar zur namentlichen Abstimmung vom 16. 5. 2013, TOP 9:
Antrag der Bundesregierung (17/13111): Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation Atalanta zur Bekämpfung der Piraterie vor der Küste Somalias


Den Antrag der Bundesregierung lehne ich ab und stimme mit NEIN.

Dies ist die siebte Abstimmung zum ATALANTA-Einsatz der Bundeswehr, wenn ich richtig gezählt habe.

Ich stimme wieder mit NEIN, wie die sechs Male vorher.
Der Einsatz der Bundeswehr im Golf von Aden und inzwischen im ganzen Indischen Ozean ist politisch falsch, nicht notwendig zum Schutz der Schiffe des Welt-Ernährungsprogramms vor Piraterie und war von Anfang an schon gar nicht das letzte Mittel, die ultima ratio, nachdem alle anderen Mittel die Schiffe nicht schützen konnten.

Die Bundesregierung erklärt, die Zahl der erfolgreichen Schiffsentführungen durch Piraten  am Horn von Afrika sei im vergangenen Jahr stark zurückgegangen. Das stimmt, der Rückgang beträgt sogar 66 Prozent.
Was aber nicht stimmt, ist die Behauptung, der Grund sei der durchgängigen Präsenz von Kriegsschiffen der Operation ATALANTA im Golf von Aden zu verdanken. Die Bundesregierung legt dafür auch keine Beweise vor. Es ist schlicht eine Annahme – eine falsche.

In Wahrheit hat der Rückgang der Kaperungen ganz andere Gründe und die Bundesregierung weiß das.

Es gibt geeignete „zivile“ Maßnahmen, um das Risiko von Piraterieangriffen zu verringern. Das Einhalten der sogenannten „Best Management Practices“: Das Fahren im Konvoi oder mit hoher Geschwindigkeit sowie die Absicherung von Reling und Außenbord etwa durch Stacheldraht – hilft schon viel. In den letzten Jahren konnte kein Schiff von Piraten aufgebracht worden, das sich an diese Regeln gehalten hat.

Der Schutz der Transporte des Welternährungsprogramms (WFP) von Hilfsgütern und Nahrungsmitteln nach Somalia kann außerdem dadurch verbessert werden, dass das WFP mit besseren und schnelleren Schiffen ausgestattet wird. Der Schutz von Handelsschiffen auf gefährlichen Routen durch zivile Sicherheitsdienste an Bord, die nicht schwer bewaffnet sein müssen, wird seit Jahren empfohlen

Inzwischen werden endlich diese Vorgaben der internationalen Seefahrt für den Schutz vor Piraterie weitgehend eingehalten. Das Fahren im Konvoi gehört dazu ebenso wie die Sicherung der Rehling der Schiffe und Außenbords etwa durch NATO-Draht, das Anbringen von Scheinwerfern und vor allem das Fahren mit großer Geschwindigkeit. Außerdem sind nach Schätzungen fast 80 Prozent der Schiffe in der gefährdeten Region mit zivilen Sicherheitsdiensten an Bord unterwegs.

All dies wurde seit Jahren gefordert, aber nicht praktiziert – aus Kostengründen. Der Reedereiverband soll dem zugestimmt haben, aber die Reedereien haben sich geweigert.  Sie wollten diese Maßnahmen nicht bezahlen, sondern einsparen. Stattdessen verlangten sie den Schutz durch die internationale Armada aus Kriegsschiffen, der dreistellige Millionenbeträge verschlingt und Krieg bedeutet.

Im letzten Jahr wurde das Mandat sogar erweitert: Vom militärischen Kampfeinsatz vor der Küste Somalias auf einen Küstenstreifen an Land von zwei Kilometern Breite.

Zwar beschränkt sich diese Erweiterung des Mandats auf Angriffe nur aus der Luft mittels Hubschraubern, lediglich auf die Logistik von Piraten. Nothilfeeinsätze an Land, um abgeschossene Hubschrauberbesatzungen zu retten, bleiben aber erlaubt.

Jahr um Jahr entscheidet sich der Bundestag für den Kriegseinsatz, der nur die Symptome von Piraterie bekämpft.

Die Ursachen  der Piraterie hingegen, die man politisch angehen kann, werden weitgehend ignoriert. Dazu gehört die Überfischung der Gewässer vor Somalia. Modern ausgestattete Fangflotten aus der EU, Japan oder Taiwan rauben den lokalen Fischern die Existenzgrundlage. Zusätzlich kommt es durch illegale Gift-Müllentsorgung vor der Küste Somalias zu massivem Fischsterben, Menschen erkranken. Auch europäische Firmen sind in die Müllverseuchung verwickelt. Und an Land herrschen Armut, Hunger, Gewalt und politische Unsicherheit. Dem neu ernannten Parlament und der Regierung in Somalia fehlen jegliche Legitimation. Wen wundert, daß da die Aussicht mit Schiffsentführungen harte Dollars zu verdienen, verlockend ist.
Kriegsschiffe und Militäreinsätze sind nicht das richtige Mittel und nicht nötig, um Piraterie wirksam zu bekämpfen.

Der Einsatz der Bundesmarine ist umgehend zu beenden.