Zur Abstimmung über die „Zypern-Hilfe“ (BT-Drs. 17/13060)

Persönliche Erklärung gemäß § 31 GO-BT, 18.04.2013

Wir stehen heute vor der Frage, ob wir als Mitglieder des Deutschen Bundestages die Zypern-Hilfe parlamentarisch legitimieren oder nicht. Wie bereits bei früheren Entscheidungen können wir die Details des Hilfspakets, die von den Regierungen der Mitgliedstaaten der Eurogruppe ausgehandelt wurden, nicht mehr mit aus unserer Sicht notwendigen Verbesserungen versehen. Aber die Alternative, nämlich ein Staatsbankrott Zyperns, wäre für die Menschen in Zypern und für die Europäische Union insgesamt wesentlich schlimmer. Obwohl wir auch an der Zypern-Hilfe Kritik haben, stimmen wir dennoch zu. Denn die Menschen in Zypern brauchen Hilfe und unsere europäische Solidarität.

Wir bewerten es als positiv, dass bei diesem Rettungspaket die Gläubiger stärker beteiligt werden. Die Kundengelder unter 100.000 Euro aber unangetastet bleiben. Der überdimensionale Bankensektor wird schrumpfen und eine große Bank wird komplett abgewickelt. Es liegt ein Schwerpunkt auf der Steuereintreibung und auf Transparenz. Die praktizierte Geldwäsche wird als Problem anerkannt und als Konsequenz wird es umfangreiche Untersuchungen der effektiven Geldwäschebekämpfung geben. Entsprechende Empfehlungen müssen umgesetzt werden. Es müssen insbesondere auch die Einnahmen bei der Unternehmenssteuer, Zinsertragssteuer und bei den Erträgen der Vermögenssteuer erhöht werden. All diese Maßnahmen sind notwendig und entsprechen unserer Vorstellung von Gerechtigkeit.

Wir haben aber auch Kritik, denn der Spardruck mit Blick auf die Ausgaben besteht weiterhin, auch wenn die Troika die Sparbedingungen mittlerweile vorsichtiger formuliert.  Das Anpassungsprogramm ist dennoch weitreichend. So wird es Maßnahmen im Bildungsbereich geben. Mit einer Rentenreform wird das Rentenmindestalter erhöht, die Renten gekürzt und Frührentenabzüge eingeführt. Im Gesundheitswesen werden Gebühren erhöht und die Kosten optimiert. Neben Lohnkürzungen wird es  weitere Eingriffe bei der Lohnindexierung geben und der Mindestlohn kann nur nach Beratung mit den Programmpartner erhöht werden. Insgesamt soll es im Einvernehmen mit den Programmpartnern eine Reform des Sozialsystems geben. In der Konsequenz müssen wir nach wie vor davon ausgehen, dass  das Anpassungsprogramm erhebliche soziale Lasten mit sich bringt, die für uns nicht akzeptabel sind. Einsparungen bei Sozialausgaben, Sozialversicherungen, im Gesundheits- und Bildungsbereich werden gerade die Menschen treffen, die die Krise nicht verschuldet haben.

Selbstverständlich müssen die Staatshaushalte konsolidiert werden. Erneut droht aber die Gefahr, dass die Sparmaßnahmen Zypern die Handlungsmöglichkeiten nimmt. Wenn ein Staat zum falschen Zeitpunkt kürzt, dann verlieren Firmen Aufträge, die Binnennachfrage bricht ein und die Krise verschärft sich. Wenn Löhne und staatliche Transfers gekürzt werden, können Beschäftigte, Erwerbslose und Bedürftige weniger Geld ausgeben. Damit verlängert dieser Nachfrageentzug im Abschwung die wirtschaftliche Talfahrt. In der Folge sinken Wachstum und Steuereinnahmen - Arbeitslosigkeit und Schulden aber steigen. Die katastrophalen Folgen dieser Sparmaßnahmen werden in Südeuropa schon heute, beispielsweise durch eine extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit, sichtbar.

Profitiert von Miss- und Günstlingswirtschaft und Spekulationen haben nur wenige. Jetzt folgen weniger Investitionen, weniger Nachfrage und auch kein ökologischer Umbau von Wirtschaft und Tourismus. Auch Zypern steht vor einer jahrelangen Rezession, die sich natürlich auch auf den Arbeitsmarkt niederschlagen wird. Schon heute liegt die Arbeitslosenquote bei 14,7 Prozent und die Jugendarbeitslosigkeit bei 28,5 Prozent. Auch in Zypern werden die Verlierer bestimmt nicht nur jene sein, die die Misere mit zu verantworten haben.

Konsolidieren heißt für uns auch investieren. Das Sparpaket wird Zypern aber tiefer in die Rezession treiben und realwirtschaftlich weiter bremsen. Die Menschen in Zypern brauchen Perspektiven. Nur wenn in eine zukunftsfähige und nachhaltige Wirtschaft investiert wird, können Wertschöpfung und Arbeitsplätze gesichert und Schulden abgetragen werden. Eine Sparpolitik schwächt hingegen das wirtschaftliche und soziale System in Zypern zu Lasten der Menschen. 

Das Rettungspaket für Zypern hat positive und negative Bedingungen und Vorgaben. Bei unserer Entscheidung müssen wir abwägen. Trotz aller Kritik und Befürchtungen überwiegt für uns schlussendlich, dass erstmals die Einnahmenseite beim Anpassungsprogramm eine zentrale Rolle spielt. Entscheidend ist für uns insbesondere auch die europäische Solidarität und politische Verantwortung – auch weil das desaströse Krisenmanagement der Eurogruppe in den letzten Wochen auf allen Seiten viel Vertrauen gekostet hat: Vertrauen in die Solidarität zwischen den Euro-Staaten, Vertrauen in die Problemlösungskompetenz der FinanzministerInnen, Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit selbst geringer  Ersparnisse bei Banken in der Eurozone. Die Republik Zypern ist und bleibt Mitglied der Europäischen Union und der Eurozone. Daran darf kein Zweifel mehr bestehen.