Entgeltgleichheit zwischen Frauen und Männern

Rede, Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 170. Sitzung - 23.03.2012

Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

„Frauen verdienen mehr“ - so heißt der grüne Antrag, den wir heute unter anderem beraten. Es wurde von den Vorrednerinnen schon gesagt: Das Thema begleitet uns schon seit Jahren, und seit Jahren ändert sich nichts.
In der taz von gestern war zu lesen - ich zitiere -:

Lang und ruhig verläuft die Linie, die den Verdienstunterschied von Frauen und Männern im Verlauf der Jahre anzeigt. 1995 lag sie bei 21 Prozent, 1999 taucht sie mal kurz unter 20 Prozent, dann erhöht sie sich auf 23 Prozent - und da bleibt sie bis heute.

Nach Angaben der OECD gibt es kein anderes europäisches Land, wo das Lohngefälle so groß ist wie in Deutschland. Vollzeitbeschäftigte Frauen verdienen hierzulande im Schnitt immer noch 21,6 Prozent weniger als Männer. Die Gehaltsunterschiede nehmen mit dem Alter zu und schwanken in den einzelnen Berufsfeldern sehr.

Manche Gründe für dieses Lohngefälle liegen in der Berufs- und Branchenwahl - das wurde vorhin schon angesprochen -, aber auch in den ungleich verteilten Arbeitsplatzanforderungen hinsichtlich Führung und Qualifikation. Junge Frauen wählen ihre Ausbildung immer noch aus einem sehr schmalen Spektrum von sogenannten Frauenberufen. Es wäre besser, wenn sie ihre Berufsmöglichkeiten breiter ausschöpften. Wir werden in einem Monat den Girls' Day haben, an dem unsere Bundestagsfraktion junge Frauen empfängt und mit ihnen diskutiert.

Aber es gibt Unterschiede, die nicht erklärbar sind. Laut WSI beträgt der Gehaltsunterschied zum Beispiel bei Informatikerinnen und Informatikern 4 Prozent, aber bei Physikerinnen und Physikern 24 Prozent; das ist einfach nicht zu verstehen. Über die geschlechtergerechten Besetzungen von Aufsichtsräten und Vorständen haben wir hier schon häufig gesprochen. Es gibt auch gute Vorschläge der Opposition hierzu. Auch wir Grüne haben Anträge und Gesetzentwürfe eingebracht. Der Aufstieg in Führungspositionen ist für Frauen immer noch viel zu schwierig. Es macht mich wütend, dass Frauen in Führungsetagen - das hat das DIW kürzlich veröffentlicht - durchschnittlich 1 000 Euro brutto weniger als Männer verdienen.
Ich finde, das ist ein furchtbarer Skandal.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Komplizierter wird es, wenn wir uns die unmittelbare Diskriminierung anschauen. Da besteht ein Unterschied von immer noch 8 Prozent. Das darf es in einem modernen Land wirklich nicht geben.
Wir Grüne haben vor zwei Wochen hier unseren Antrag zum Thema Entgeltgleichheit eingebracht. Wir fordern ein Entgeltgleichheitsgesetz. Die Tarifverträge müssen dahin gehend überprüft werden, ob sie diskriminierende Passagen enthalten.
Wir wollen, dass mit einem analytischen Bewertungssystem geprüft wird, weil das summarische Verfahren, das das Ministerium vorschlägt, nicht ausreicht.
Wir wollen, dass die entsprechenden Kompetenzen bei der Antidiskriminierungsstelle angesiedelt sind. Frau Lüders hat soeben auf der Veranstaltung am Brandenburger Tor gesagt, dass sie diese Aufgaben gern übernehmen will. Das ist wichtig. Diese Stelle muss natürlich auch personell und finanziell besser ausgestattet werden. Die Koalition hingegen nimmt der Antidiskriminierungsstelle Geld weg.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

Wir brauchen endlich ein Verbandsklagerecht für Antidiskriminierungsverbände, Gewerkschaften, Betriebs- und Personalräte und Mitarbeitervertretungen. Weiterhin müssen ein gesetzlicher Mindestlohn und mehr branchen- und regionalspezifische Mindestlöhne eingeführt werden.
Ich verstehe die Gleichstellung von Frauen und Männern als eine zentrale Gerechtigkeitsfrage. Gleiche Chancen und Rechte auf

dem Arbeitsmarkt gehören dazu. Wir haben in den letzten Wochen sehr viel zum Thema Gleichstellung diskutiert. Wir kommen gerade von der Kundgebung des DGB und des Deutschen Frauenrats am Brandenburger Tor. Es waren fast alle Fraktionen vertreten.
Die FDP hat gefehlt. Ich frage mich, warum Sie zwei Straßenecken weiter stehen, allein im Schatten,

(Ekin Deligöz (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben sich an den Schatten gewöhnt!)

und warum Sie sich nicht unserer Kundgebung angeschlossen haben. Selbst die Frauen-Union war da und hat eine Rednerin gestellt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Wir haben dort mitbekommen, dass die Einschätzungen im Grunde genommen gleich sind. Ich frage mich allerdings, warum die Konsequenzen immer noch nicht gezogen werden. Wir von der Opposition machen Vorschläge. Wir vermissen aber immer noch die Vorschläge der Koalition und der Bundesregierung. Sie können sich gerne an unseren Vorschlägen bedienen, aber - darin sind wir uns alle einig - wir wollen nicht noch Jahre oder Jahrzehnte diskutieren. Deshalb meine Aufforderung: Tun Sie endlich etwas, damit Entgeltgleichheit in diesem Land endlich umgesetzt wird!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

 

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