Rede, Deutscher Bundestag - 17. Wahlperiode - 181. Sitzung - 24.05.2012
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Frau Präsidentin/Herr Präsident,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
schon lange sind Neonazis nicht mehr sicher am äußeren Erscheinungsbild zu erkennen. Viele Rechtsextreme verfolgen die Strategie der schleichenden Unterwanderung gesellschaftlicher Bereiche. Um Kontakte zu knüpfen, in Vereinen Fuß zu fassen oder in Elternvertretungen gewählt zu werden, wollen sie sympathisch und unauffällig wirken.
Diese Verschleierungstaktik führt auch in der Gastwirtschaft immer wieder zu Problemen.
Häufig verhalten sich Neonazis bei Anmeldungen betont unauffällig und melden eine Veranstaltung unter einem privaten Anlass ein.
Gastwirte brauchen fundierte Aufklärung, um im Geschäftsalltag Neonazis rechtzeitig erkennen und böse Überraschungen vermeiden zu können.
Auch juristisches Wissen ist erforderlich.
Denn selbst wenn Gastwirte bemerken, dass sie Rechtsextremisten vor sich haben, herrscht vielfach Unsicherheit:
Wie soll man mit ihnen umgehen?
Ist man berechtigt, Menschen wegen ihrer Gesinnung des Hauses zu verweisen oder verstößt man damit gegen das Gleichbehandlungsgebot und riskiert eine Klage?
Angesichts solcher Fragen bin ich froh, dass der Bundesgerichtshof am 9. März 2012 klargestellt hat: Sowohl Privatleute als auch Unternehmerinnen und Unternehmer dürfen ihr Hausrecht grundsätzlich frei ausüben.
Anlass für diese Entscheidung war der Wunsch des ehemaligen NDP-Chefs Udo Voigt, sich in einem Brandenburger Wellnesshotel einzubuchen, was der Hotelbesitzer abgelehnt hatte.
Dass man auch mit Kreativität zum Ziel kommen kann, zeigte bereits 2007 ein Hotelier aus Dresden. Dort hatten sich die NPD-Funktionäre Holger Apfel und Alexander Delle online eingemietet. Die Buchung war vorab bezahlt und vom Hotel bestätigt worden. Insofern bot sich eine rechtliche Lösung nicht an. Der Hotelier schrieb stattdessen einen offenen Brief an die beiden. Darin bat er sie, nicht in seinem Hotel zu übernachten, da er seinen Mitarbeitern nicht zumuten wolle, sie begrüßen und bedienen zu müssen. Für den Fall, sie würden dennoch nicht von der Buchung zurücktreten, kündigte er an, alle durch sie erwirtschafteten Einkünfte sofort als Spende an die Dresdner Synagoge weiterzuleiten. Das wollten Apfel und Co. dann doch nicht und sagten den Aufenthalt ab.
Mittlerweile haben Gastwirte eigene Initiativen gegen Rechts ins Leben gerufen. So schlossen sich unter dem Motto „Keine Bedienung für Neonazis“ in mehreren Städten engagierte Gastwirte zusammen.
Unterstützung kommt aus von der DeHoGa, der Gewerkschaft NGG und der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. Ihr Ratgeber ist in der Praxis eine große Unterstützung.
Ein aktueller Erfolg ist auch der ausgefallene NPD-Parteitag im sächsischen Plauen.
Dort wollte die NPD den Mietvertrag nicht unterzeichnen, da dieser zwei für die NPD nicht einlösbare Klauseln enthielt. In einer Klausel wurde der NPD untersagt, in den gewünschten Räumen der Festhalle rassistisches, antisemitisches und antidemokratisches Gedankengut zu äußern.
Der NPD-Landesvorstand war empört und meinte, es wird für sie immer schwieriger, Veranstaltungsräume anzumieten.
Das ist ein großer Erfolg des Engagements und der Sensibilisierung in den letzten Jahren.
Auch öffentliche Zeichen gegen Rechts sind sehr wichtig, gerade auch dann, wenn Nazis aggressiv gegen Gastwirte vorgehen.
Ein aktuelles Beispiel gab es kürzlich in Geithain in der Nähe von Leipzig. Dort wurde ein Sprengstoffanschlag auf die Pizzeria eines pakistanischen Betreibers verübt. Geithains Bürgermeisterin Romy Bauer, eine CDU-Politikerin, bekennt bei einer Gedenkveranstaltung: „Seit Herr Sayal eröffnet hat, gab es Bedrohungen und Anschläge. Für mich haben diese Taten ganz eindeutig einen rechtsextremen Hintergrund.“
Wir dürfen nicht zulassen, dass Menschen verschreckt, angegriffen und verjagt werden, weder in der Gastwirtschaft noch anderswo.
Dabei geht es nicht nur um die unmittelbar betroffenen Opfer.
Rechtsextremismus schädigt auch die regionale Tourismuswirtschaft. Studien ergaben Verluste in Milliardenhöhe, weil ausländisch Aussehende Reisen in „braune Angstzonen“ scheuen. Gerade dort brauchen wir bunte lokale Bündnisse, die gegensteuern.
Publikationen und Aktionen, die Gastwirte in der Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus stärken, müssen bekannter gemacht werden. Hier sind Bund und Länder gleichermaßen gefragt.
Die SPD fordert in ihrem Antrag eine Informationsoffensive.
Wir Grüne unterstützen diesen Antrag.
Besonders einen runden Tisch mit VertreterInnen von Bund, Ländern, Kommunen, Gewerkschaften, Branchenverbänden, zivilgesellschaftlichen Akteuren sowie betroffenen Gastwirten halten wir für eine gute Idee. Denn Bündnisse ermöglichen Solidarität mit bedrängten Gastwirten - und deren Gästen. Miteinander können wir ein Umfeld schaffen, das Neonazis in die Defensive drängt und Vielfalt vor Ort erleichtert.