Rede zum Bericht des 3. Untersuchungsausschusses (NSU)

243. Sitzung des Deutschen Bundestages am 29.06.2017

Beschlussempfehlung und Bericht des 3. Untersuchungsausschusses gemäß Art. 44 des Grundgesetzes vom 23.06.2017
Drucksache 18/12950 

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Gäste!

Auch ich fand die Zusammenarbeit im NSU-Untersuchungsausschuss sehr angenehm und kollegial. Da wir mehrfach Zeuginnen und Zeugen aus Sachsen hatten, konnte ich, wenn diese manchmal in sehr starkem sächsischen Dialekt redeten, ab und zu flüsternd zur Seite stehen und helfen.

So manches Mal, wenn die Situation in Ostdeutschland in den 90er-Jahren geschildert wurde, kamen bei mir eigene Erinnerungen hoch. Die Ausschusskolleginnen und  kollegen wunderten sich oft, wenn Zeugen aus der rechten Szene schilderten, wie "normal" sie in einigen Gegenden in Sachsen und Thüringen agieren konnten. Ja, es war wirklich so. Es konnte sehr schnell passieren, dass man angegriffen wurde, wenn man irgendwie "nicht rechts" aussah. Das reichte vollkommen aus. Mein Bruder wurde in den 90er-Jahren in Sachsen, in Leipzig, zusammengeschlagen, weil er Punk war. Trotz all dieser Widrigkeiten können wir froh sein, dass sich Jugendliche fanden, die nicht tatenlos zusahen, sondern sich zusammenschlossen. Manche wie das Bündnis gegen Rechts in Leipzig gibt es nicht mehr, aber wir sehen uns häufig bei Aktionen in Leipzig. Andere wie das Netzwerk für Demokratische Kultur in Wurzen oder die Aktion Zivilcourage und AKuBiZ in Pirna gibt es bis heute, und sie machen professionelle Demokratiearbeit,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN)

und das, obwohl ihnen - in Sachsen teilweise bis heute - Misstrauen entgegenschlug und sie als Nestbeschmutzer bekämpft wurden.

(Zuruf von der LINKEN: So ist das in Sachsen!)

Erstmals wurden solche zivilgesellschaftlichen Initiativen mit dem Bundesprogramm Civitas unter der damaligen rot-grünen Bundesregierung finanziell unterstützt. Seitdem ist zum Glück viel passiert. Die Mittel für das Bundesprogramm "Demokratie leben!" wurden massiv aufgestockt. Selbst die Kolleginnen und Kollegen der Union haben erkannt, dass das Engagement für unsere Demokratie und die Bekämpfung von Rassismus und Antisemitismus eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sind. Aber bis dahin musste eben viel zu viel Schreckliches passieren, wie wir unter anderem nach der Selbstenttarnung des NSU-Trios herausfanden. Das Versagen der Behörden macht deutlich, wie unverzichtbar eine kompetente Zivilgesellschaft für den Kampf gegen Rassismus ist. Eine Neustrukturierung der finanziellen Förderung forderte bereits der letzte NSU-Untersuchungsausschuss vor vier Jahren. Die Förderung sollte laut damaliger Beschlussempfehlung "auf bundesgesetzlicher Basis auch unter Einbeziehung der Länder" erfolgen.

Gerade die mobilen Beratungsteams und die Opferberatungsstellen sind Beispiele dafür, wo der Westen vom Osten lernen kann; denn Dank des Civitas-Programms haben diese Projekte qualitativ hochwertige Arbeit leisten und hohe Standards entwickeln können, die wir jetzt im gesamten Land als Vorbild brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Wir Grünen fordern deshalb ein Demokratiefördergesetz zur nachhaltigen Demokratiestärkung und Prävention gegen Rechtsextremismus.

(Marian Wendt (CDU/CSU): Und gegen Linksextremismus!)

Damit wollen wir all diejenigen von Antragsbürokratie entlasten, ermutigen und besser fördern, die sich für unsere Demokratie engagieren, besonders in Gegenden, wo es bis heute nicht einfach ist. Rassismus darf in unserem Land nie wieder Menschenleben kosten. Dafür müssen wir auch weiterhin alle gemeinsam alles in unserer Verantwortung Mögliche tun.
Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)