86. Sitzung vom 06.02.2015
Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
13. Sportbericht der Bundesregierung, Drucksache 18/3523
Monika Lazar (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Sportbericht bietet die schöne Gelegenheit, in der ganzen Breite über die Sportpolitik zu reden, quasi vom Fußball bis zum Paddeln. Stichwort "Fußball": In den Diskussionen sollte man nicht so tun, als ob wir persönlich letzten Sommer in Jogis Truppe mittrainiert hätten.
(Eberhard Gienger (CDU/CSU): Natürlich!)
Freude ist zwar schön, aber man sollte nicht allzu dick auftragen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Wir sind alle viel zu alt, um mitzutrainieren und mitzuspielen.
(Eberhard Gienger (CDU/CSU): André, hast du das gehört?- Gegenruf des Abg. Dr. André Hahn (DIE LINKE): Habe ich überhört!)
Auf den 150 Seiten des Sportberichts werden verschiedene Aspekte genannt, die nicht ständig im Rampenlicht stehen. Auch das Thema Zivilgesellschaft spielt eine wichtige Rolle. In diesem Zusammenhang werden auch Programme wie "Zusammenhalt durch Teilhabe" oder die Kampagne "Sport und Politik verein(t) gegen Rechtsextremismus" aufgeführt, und es ist viel von Netzwerken, Dialog und gegenseitiger Unterstützung die Rede. Das hört sich erst einmal gut an. Fast könnte man meinen, in dem Berichtszeitraum wäre alles prima gelaufen.
Wenn aber alle Akteure gerade im Bereich des Rechtsextremismus so viel unternommen haben wie dargestellt, dann stellt sich die Frage, wie es sein konnte, dass am 26. Oktober letzten Jahres fast 5 000 Hooligans und Neonazis die Kölner Innenstadt fast auseinandernehmen konnten. Da war das Entsetzen groß. Dabei mahnen Szenekenner schon seit langem, dass rechte Einstellungen bei einem Teil der Hooligans nicht zu unterschätzen sind.
Selbst die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze, ZIS, schätzte die Schnittmenge der sogenannten Gewalttäter Sport mit bekannten Rechtsextremisten direkt vor den Kölner Krawallen auf nur 400 ein. Ich denke, dass an dieser Stelle dringend Korrekturen nötig sind.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der LINKEN)
Es waren übrigens auch Hooligans bei den Pegida- und Legida-Demonstrationen unterwegs. Mehrfach wurden in Dresden Hools von Dynamo Dresden gesehen. Erst vor einer Woche dankte ein Redner auf der Legida-Kundgebung in Leipzig den Hools euphorisch für ihre Unterstützung. Das war absurd, und die Reaktion erfolgte prompt: Jubel und Applaus von den Angesprochenen.
So kann es auf alle Fälle nicht weitergehen. Wir müssen uns auch in diesem sehr speziellen Fall Gedanken machen, wie wir uns dieser Thematik weiter annehmen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)
Eine weitere Leerstelle im Bericht bildet die sexualisierte Gewalt an Kindern und Jugendlichen im Sport. Weder gibt es ein eigenes Kapitel im Sportbericht, noch geben Sie dort, wo das Thema ab und zu zur Sprache kommt, Auskunft über gegenwärtige Planungen und Perspektiven. Stattdessen wird nur Altbekanntes aufgezählt. Neuigkeiten sind leider Fehlanzeige. Erst in dieser Woche lief ein Beitrag in der WDR-Sendung sport inside. Hier wurde berichtet, dass allein in den letzten zwei Jahren 58 Kinder und Jugendliche in 300 Fällen Opfer sexualisierter Gewalt wurden. Das sind nur die Zahlen, die durch Gerichtsurteile aktenkundig geworden sind. Wir alle wissen, dass der Sportverein ein sensibles Umfeld für junge Menschen ist. Trainerinnen und Trainer sind Vertrauenspersonen.
Der Beauftragte für Fragen des Kindesmissbrauchs, Herr Rörig, hat noch im November 2013 dringenden Handlungsbedarf auch bei diesem Thema im Sport festgestellt. Ich hätte mir gewünscht, dass auch dieser Bereich im Sportbericht noch Niederschlag gefunden hätte und damit dem Wunsch von Herrn Rörig nach Handlungsempfehlungen Rechnung getragen worden wäre.
Zum Thema Doping möchte ich eine Lösung für die Opfer des DDR-Dopings anmahnen. Das Thema beschäftigt uns schon seit vielen Jahren. Auch wir Grüne machen dazu regelmäßig Vorschläge. Es ist gut, dass sich alle Fraktionen weiterhin um eine Lösung bemühen und dass wir uns bald im Sportausschuss intern erst einmal mit den Vorschlägen, die von der aktuellen Bundesregierung auf den Tisch gelegt wurden, befassen werden.
Mein persönlicher Wunsch und der meiner Fraktion ist, dass wir in diesem Jahr - 25 Jahre nach der Wiedervereinigung - zu einer Entschädigungsleistung für die damals minderjährigen Opfer des Zwangsdopings in der DDR kommen werden. Vielleicht bekommen wir es ja hin.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. André Hahn (DIE LINKE): Es gab auch im Westen Doping!)
- Aber in der DDR gab es spezielle Fälle. Herr Hahn, das wissen Sie mindestens genauso gut wie ich.
Insgesamt hinterlässt der Sportbericht deshalb für mich doch eher einen faden Beigeschmack. Schon beim letzten Mal wurde beschlossen, dass es im Sportbericht einen Ausblick geben soll. Statt tragfähiger Konzepte, wie dies Kollege Gienger vorhin angesprochen hat, finden sich meiner Meinung nach aber eher Andeutungen, Ankündigungen und Ausflüchte.
Auch warten wir noch auf den großen Wurf des Innenministers hinsichtlich einer Reform der Spitzensportförderung. Sie haben heute wieder angekündigt, dass es jetzt langsam losgeht. Das ist gut. Bis 2016 sollen dann auch die Konzepte auf dem Tisch liegen. Wir sind schon sehr gespannt darauf und erwarten selbstverständlich, dass Sie uns auch im Sportausschuss eng miteinbeziehen. In den großen Linien sind wir uns in vielen Fällen einig. Deshalb wäre es gut, wenn das Parlament miteinbezogen werden könnte. Ansonsten sind wir gehalten, dazu vielleicht noch eine Ausschussanhörung durchzuführen. Es wäre aber gut, wenn wir da gemeinsam an einem Strang ziehen würden. Es ist uns allen sehr wichtig, in diesem Bereich gute Dinge hinzubekommen; denn so etwas macht man nicht alle Jahre.
In diesem Sinne: Schauen wir einmal, was passiert. Die Grünen werden die Sportpolitik auch weiterhin kritisch begleiten.
(Eberhard Gienger (CDU/CSU): Wir machen mit euch mit! - Gegenruf des Abg. Özcan Mutlu (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) Hauptsache, ihr vergesst den Breitensport nicht!)